Vision für Europa: Deutschland lässt Macron auflaufen
Frankreichs Präsident will die Gräben zwischen den Staaten überwinden – und reißt damit einen Graben in der GroKo auf
Straßburg Emmanuel Macron hat viel vor mit Europa. In seiner Rede im Europaparlament rief der französische Präsident am Dienstag dazu auf, die Gräben zwischen den EUStaaten zu überwinden. Der Gemeinschaft drohe andernfalls eine „Art Bürgerkrieg, in dem nationale Egoismen überlagern, was uns eint“. Ob Macron auf deutsche Unterstützung zählen kann, muss sich erst zeigen. In der Bundesregierung tobt eine Debatte um seine Reformvorschläge. Vor allem die Forderungen einer gemeinsamen Einlagensicherung europäischer Banken, eines eigenen Budgets für die Eurozone und eines Euro-Finanzministers sind umstritten.
Alexander Dobrindt ging nach der Rede des französischen Staatschefs umgehend auf Konfrontationskurs. „Ich habe überhaupt keine Veranlassung, Macrons persönliche Glücksgefühle zu meinem politischen Programm zu machen“, sagte der CSU-Landesgruppenchef. Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen fordert hingegen mehr Zurückhaltung: „Der Streit hat durchaus das Potenzial, eine Krise in der Großen Koalition auszulösen“, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung.
Am Donnerstag kommt Frankreichs Präsident nach Berlin. Dass er dort nicht mit all seinen Plänen auf Begeisterung stoßen wird, steht längst fest. Für Leinen geht es darum aber auch gar nicht. „Macrons Vorschläge sind als Maximalprogramm zu verstehen. Er weiß natürlich, dass nicht alles davon umgesetzt werden wird“, stellte der SPDPolitiker klar.
Seit Monaten wartet Europa darauf, wie die Bundesregierung zu Macrons Visionen steht. „Deutschland ist in Bezug auf Europa seit vielen Jahren zu ängstlich und zu zögerlich“, findet Leinen. Bislang hatte die Kanzlerin zwar vage Sympathien bekundet, sich in der Sache aber nicht festgelegt. GrünenChefin Annalena Baerbock hat dafür kein Verständnis. „Mit Martin Schulz ist offensichtlich der letzte Europäer der GroKo von Bord gegangen“, sagte sie. Auch die Sozialdemokraten sind genervt von der Blockadehaltung der Union. „Es muss doch klar sein, dass wir Europa voranbringen wollen“, sagte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. Sie warnte CDU und CSU davor, „ein neues Fass aufzumachen“.
In der Union wiederum gibt es Befürchtungen, dass nationale Parlamente Einfluss auf die europäische Finanzpolitik einbüßen. Die Zeit drängt – ohne einen spürbaren Neuanfang
„Ich habe überhaupt keine Veranlassung, Macrons persönliche Glücksgefühle zu meinem politischen Programm zu machen.“
Alexander Dobrindt (CSU)
droht bei der Europawahl im kommenden Jahr ein Siegeszug populistischer Parteien. Das ist auch der Bundeskanzlerin klar. Bis zum EU-Gipfel Ende Juni will sie liefern. „Wir werden mit Frankreich gemeinsame Lösungen finden. Ich bin nicht bange, dass wir nicht ein starkes Paket auf die Beine stellen werden“, sagte Merkel.
Eine deutsch-französische Position soll dann mit den anderen EUMitgliedern besprochen werden. Um es der Kanzlerin leichter zu machen, kam Macron ihr in seiner Rede im Straßburger Parlament entgegen. Er unterstützte unter anderem Merkels Vorschlag, Kommunen für die Flüchtlingsaufnahme finanziell zu belohnen.
Im Kommentar schreibt Gregor Peter Schmitz über die verpuffte Macron-Euphorie und in der Politik erklärt Detlef Drewes eines der wichtigsten Reform-Projekte: den Europäischen Währungsfonds.