Es war ein eigenartiges Schauspiel im Gerichtssaal
Zur Berichterstattung „Brandstiftung“in den Rieser Nachrichten vom 13. April:
Es war schon ein eigenartiges Schauspiel, das sich da im Gerichtssaal abspielte. Ein 71-Jähriger, der sich selbst als „Messi“bezeichnet, der angibt, regelmäßig sein gewisses Quantum an Bier zu konsumieren, wird wegen schwerer Brandstiftung verurteilt – eines der schwersten Verbrechen überhaupt. Schwere Brandstiftung setzt Vorsatz voraus.
Beim Verurteilten wurde weder Motiv noch ein irgendwie gearteter Grund gefunden; auch die Aussagen der Feuerwehrleute lassen nicht auf Derartiges schließen. Die polizeiliche Arbeit der Brandaufklärung darf zumindest mehr als lückenhaft angesehen werden. Den Fall nicht an die Kripo abzugeben ist unverzeihlich.
Für uns als „Öffentlichkeit“bei dieser Verhandlung bleiben viele Rätsel: Wie kann der Staatsanwalt alle vorgebrachten Aussagen des Angeklagten nicht berücksichtigen? Der hatte seinen schriftlichen Strafantrag dabei – war er zu bequem, diesen umzuschreiben? Das Schöffengericht hat wohl Einlassungen des Verteidigers und des Angeklagten gewürdigt. Nur: auch da waren vorgefasste Meinungen zum Hergang des Geschehens deutlich bemerkbar. Die Vorsitzende Richterin gab sich wohl Mühe, den tatsächlichen Hergang herauszufinden. Nachdem dies nicht gelang, wurde kurzerhand trotzdem auf Vorsatz entschieden. Ihre Theorie sei die einzig plausible. Dass zwischen den Angaben des Angeklagten und der Alarmierung der Feuerwehr ca. eine Stunde fehlt, wurde nicht ausgeleuchtet.
„Die Kriminalpolizei hat viel zu tun, deshalb wurde der Fall nicht abgegeben“, so die Aussage des ermittelnden Beamten, warum kein Brandsachverständiger eingeschaltet wurde.
Nun wurde ein in Nördlingen bekannter Kauz verknackt, ein Mensch, der nicht in die übliche Rolle des Rentners fällt. Kein Motiv, kein Personenschaden – „in dubio pro reo“(im Zweifel für den Angeklagten) scheint in Nördlingen für Menschen aus der Subkultur keine Rolle zu spielen. Es wurde ein Exempel statuiert.
Heiner Holl und
Bernhard Kusche, Munningen
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