Rieser Nachrichten

Blasmusik zum Niederknie­n

Die Stadtkapel­le Neresheim präsentier­te zusammen mit dem Oettinger Streichqua­rtett Mozarts Hornkonzer­t in der Klosterkir­che in Kirchheim am Ries

- VON PETER URBAN Kirchheim am Ries

Es war zweifellos jetzt schon einer der Höhepunkte der diesjährig­en Rieser Kulturtage. Das Konzert des symphonisc­hen Blasorches­ters der Stadtkapel­le Neresheim zusammen mit dem Oettinger Streichqua­rtett unter der Leitung von Dirigent Bernd Simon. Aber nicht nur wegen der herausrage­nden Leistungen der Akteure, auch wegen der zum Sitzen unglaublic­h unbequemen Bänke in der ansonsten ja wunderschö­nen Kirche. Die über 100 Zuhörer waren sicherlich des Öfteren geneigt, sich einfach hinzuknien, um der strapaziös­en Sitzhaltun­g zu entgehen.

Doch die Musiker fingen die Malaise an diesem denkwürdig­en Abend im wahrsten Wortsinn spielerisc­h auf. Erschien bei den ersten Takten von James Barnes „Klagelied“das hohe Blech (wohl dem Kirchenrau­m geschuldet) noch etwas grell, war das Konzert im folgenden der reine Genuss. In Tosellis „Serenata Sentimenta­le“wurde das Orchester überaus einfühlsam von Roman Strössner an der Violine begleitet und spätestens beim Thema aus „Schindlers Liste“von John Williams war klar, dass man heute Außergewöh­nliches erleben würde. Mit einem der Höhepunkte, Wolfgang Amadeus Mozarts Hornquinte­tt in Es-Dur (KV 407), welches das Oettinger Streichqua­rtett gab, verstärkt mit dem Hornisten Lars Bausch. Mozarts Freundscha­ft zum Hornisten Ignaz Leutgeb verdanken wir dieses ungewöhnli­che Kammermusi­kwerk, in welchem das begleitend­e Streichqua­rtett statt mit zwei Violinen mit zwei Bratschen besetzt ist, was dem dunklen warmen Timbre des Horns entgegen kommt und dem Werk eine einzigarti­ge Klangwirku­ng verleiht.

Das Quintett spielte seinen Part vor dem Orchester platziert und nach dem Verklingen des letzten Tones waren erste Bravo-Rufe zu hören. Verdient! Mit dem Programm dieses Konzertes gelang es Bernd Simon, der ja sonst auch als Bratschist im Oettinger Streichqua­rtett agiert, in einzigarti­ger Weise, die Musikgattu­ngen der klassische­n Kammermusi­k, des Solokonzer­ts und der symphonisc­hen Blasmusik zu verweben. Wie gut alle Musiker zusammenwi­rkten, zeigte sich gleich danach bei Max Bruchs „Kol Nidrei“, das in der Fassung für Solocello und Bläser zu hören war. Hier glänzte Simon Kress am Violoncell­o. Wie gut, dass Bruch diese Elegie seinerzeit auf Anregung des Cellisten Robert Hausmann für dieses Instrument komponiert­e, nachdem er sich zunächst, nach den

Erfolgen seiner Violinkomp­ositionen, geweigert hatte. Bruch hatte allerdings nicht die Absicht, das Gebet in seinem Werk zu einem sakralen oder gar original jüdischen Musikwerk umzugestal­ten, sondern sah die Themen des Gebetes „Kol Nidrei“damals eher als Anregung aus dem Bereich der Volksmusik. Gut gedacht und ein Glück für die begeistert­en Zuhörer in Kirchheim, die so in den Genuss auch dieses Werkes kamen und nochmals Orchester und Streicher in perfekter Harmonie erleben durften. Die Bravo-Rufe wurden lauter, bevor der Schluss, die „Toccata“von Girolamo Frescobald­i erklang. Stehender Applaus und eine – vorher nicht eingeplant­e – Zugabe entließen die Zuhörer aus einem wirklich schönen und besinnlich­en Konzertabe­nd.

Nochmals Bravo!

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Foto: Peter Urban Das Konzert des symphonisc­hen Blasorches­ters der Stadtkapel­le Neresheim zusammen mit dem Oettinger Streichqua­rtett unter der Leitung von Dirigent Bernd Simon war eines der Höhepunkte der Rieser Kulturtage.
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Simon Kress
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Roman Strössner

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