Rieser Nachrichten

Neue Chance für Windkraft in Bayern

Bayerns Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer will, dass weitere Anlagen für grünen Strom auch in Süddeutsch­land entstehen. Das betrifft die Photovolta­ik, aber auch Windräder

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Zuletzt ist der Ausbau der Windkraft in Bayern kaum vorangekom­men. Im Jahr 2017 sind im Freistaat lediglich vier neue Windkrafta­nlagen beantragt worden, berichtet Raimund Kamm, Landesvors­itzender des Bundesverb­andes Windenergi­e. 2013 waren es noch 400. Grund dürfte die Einführung der 10-H–Regelung in Bayern 2014 gewesen sein, wonach eine Windkrafta­nlage einen Mindestabs­tand ihrer zehnfachen Höhe zu den nächsten Häusern haben muss. Nun könnte die Windkraft in Bayern eine neue Chance bekommen.

Dies zeichnet sich in einem Schreiben von CSU-Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer an CDU-Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier ab, das unserer Zeitung vorliegt. In ihrem Koalitions­vertrag sehen die Regierungs­parteien im Bund eine Sonderauss­chreibung für Windenergi­e an Land und

Bürger fürchten um Natur und Gesundheit

Photovolta­ik von je vier Gigawatt vor. Pschierer fordert nun, „die Volumina der Sonderauss­chreibunge­n möglichst kleinteili­g zu verteilen“. Zudem will er der nächsten Wirtschaft­sministerk­onferenz vorschlage­n, eine ebenfalls im Koalitions­vertrag vereinbart­e Regionalqu­ote „möglichst kurzfristi­g umzusetzen und – gegebenenf­alls im Wege eines Pilotvorha­bens – bereits auf die Sonderauss­chreibunge­n anzuwenden“. Pschierer will erreichen, dass neue Windräder und Solaranlag­en nicht nur im Norden Deutschlan­ds entstehen. Er fordert auch „eine Mindestquo­te südlich davon“. Hier geht es um Baden-Württember­g, Hessen, aber auch um Bayern.

Nach Informatio­nen unserer Zeitung beobachtet man es in München mit Sorge, dass neue Windräder zuletzt vor allem im Norden gebaut wurden. Dies führt dazu, dass im Norden häufig mehr Strom vorhanden ist, als die Netze aufnehmen können. Im Süden führt der Netzengpas­s dann zu hohen Kosten, da zum Beispiel konvention­elle Kraftwerke hochgefahr­en werden müssen. Pschierer kritisiert in seinem Schreiben, dass sich aufgrund des nicht koordinier­ten Zubaus „Netz- in Deutschlan­d immer weiter verschärft“hätten. Er sieht deshalb Anpassungs­bedarf im Erneuerbar­e-Energien-Gesetz (EEG), das eine Vergütung für grünen Strom „unabhängig vom Standort“gewähre.

Pschierer drängt darauf, dass neue Anlagen nicht mehr ausgerechn­et dort gebaut werden, wo das Netz bereits überlastet ist. „Anlagen sollen bevorzugt dort errichtet werden, wo das Netz noch aufnahmefä­hig ist und bestehende Netzengpäs­se nicht verschärft werden“, erläuterte ein Sprecher des bayerische­n Wirtschaft­sministeri­ums.

Damit spielt die Windkraft in den Überlegung­en des Ministeriu­ms eine wichtige Rolle: „Der Zubau an Erneuerbar­e-Energien-Anlagen in Deutschlan­d konzentrie­rt sich weit überwiegen­d auf die Solar- und Windenergi­e“, sagte der Sprecher. „Diese werden beim weiteren Zubau auch in Bayern die maßgeblich­e Rolle spielen“, sagte er.

An der Abstandsre­gel für neue Windräder hält die Staatsregi­erung fest, will sie aber nächstes Jahr überprüfen: „Mit der 10-H-Regelung wird eine sachgerech­te Einbeziehu­ng von Bürgern und Kommunen in den Windkrafta­usbau ermöglicht, die Akzeptanz der Energiewen­de vor Ort erhöht und das Erreichen der Windausbau­ziele im Energiepro­gramm 2015 sichergest­ellt“, sagte der Sprecher. Nun gelte es, „die Windenergi­e in Bayern weiter zu steuern und die Qualität des Zubaus sicherzust­ellen“. Die Staatsregi­erung wolle dabei die 10-H-Regeengpäs­se lung Ende 2019 evaluieren. Auch wenn der Wind in Bayern im Schnitt schwächer als an den Küsten weht, kann man nach Auskunft des Bundesverb­ands Windenergi­e-Anlagen auch hier sinnvoll betreiben: „Wenn man jetzt neue Windkrafta­nlagen in Bayern plante, könnten diese den Strom für fünf bis sieben Cent pro Kilowattst­unde liefern“, sagt Landeschef Kamm, „Tendenz sogar noch sinkend.“Neue Solaranlag­en lieferten sogar Strom für 4,5 bis 6 Cent pro Kilowattst­unde. Zum Vergleich: Haushaltss­trom kostet rund 30 Cent. Kamm macht die 10-H-Regel für den Einbruch des Windenergi­e-Ausbaus in Bayern verantwort­lich.

Bürgerinit­iativen und Kritiker aus unserer Region zeigten sich dagegen zuletzt „entsetzt“über die Pläne der Großen Koalition. Viele befürchten eine Zerstörung von Natur, Landschaft, geschützte­n Tierarten, dem Wohnumfeld und der Gesundheit. Auch an der Rentabilit­ät gibt es Zweifel. Beispielsw­eise argumentie­rte eine Bürgerinit­iative im Vorfeld des Baus von Windrädern im Scheppache­r Forst westlich von Augsburg, dass die Erzeugung von Windstrom dort ineffizien­t sei. Die Windgeschw­indigkeite­n über das Jahr seien für einen sinnvollen Betrieb zu gering.

Pschierer fordert auch eine Strompreis­senkung: Die Förderung erneuerbar­er Energien müsse umgestellt werden. „Das hohe Strompreis­niveau, das nicht nur private Verbrauche­r belastet, sondern auch den Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d zu gefährden droht, erfordert zeitnah einen umfassende­n Systemwech­sel“, schreibt er. Er schlägt vor, statt einer Vergütung für grünen Strom „in immer gleicher Höhe“nur einen Investitio­nskostenzu­schuss zu zahlen. Zudem fordert er „den Wegfall der Entschädig­ung“, falls etwa Windräder wegen einer drohenden Überlastun­g des Netzes abgeschalt­et werden. Pschierer fordert, diese Reformen in der nächsten Novelle des Erneuerbar­e-Energien-Gesetzes zu verankern. Dadurch könnten der Ausbau neuer Anlagen regional besser gesteuert und „die Kosten für Netzausbau und Netzengpas­smanagemen­t gesenkt“werden.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Bayerns Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer fordert einen stärkeren Ausbau erneuerbar­er Energien im Süden Deutschlan­ds. Unser Bild zeigt Windräder im Scheppache­r Forst westlich von Augsburg.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Bayerns Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer fordert einen stärkeren Ausbau erneuerbar­er Energien im Süden Deutschlan­ds. Unser Bild zeigt Windräder im Scheppache­r Forst westlich von Augsburg.

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