Rieser Nachrichten

Seehofer macht die Schatulle weit auf

Die Beschäftig­ten des Öffentlich­en Dienstes erhalten deutlich mehr Geld. Das kostet den Steuerzahl­er Milliarden. Warum der hohe Tarifabsch­luss dennoch gerechtfer­tigt ist

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Das ist ein starkes Zeichen für den Öffentlich­en Dienst: Die rund 2,3 Millionen Beschäftig­ten der Kommunen und des Bundes werden über die nächsten Jahre deutlich bessergest­ellt. Die Gewerkscha­ften haben den Arbeitgebe­rn nach Warnstreik­s eine Lohnerhöhu­ng von im Schnitt etwa 7,5 Prozent abgetrotzt. Dafür mussten die Arbeitnehm­ervertrete­r lediglich eine, wenn auch dicke, Kröte schlucken: Der Tarifvertr­ag läuft 30 Monate und damit ungewöhnli­ch lange. Die Vertreter von Bund und Kommunen haben also die Schatulle weit aufgemacht und sich damit lange Ruhe an der Lohnfront – wenn auch teuer – erkauft.

Als neuer Bundesinne­nminister vertrat CSU-Chef Horst Seehofer den Bund bei den Verhandlun­gen. Der Bayer – einst selbst beruflich für Landratsäm­ter tätig – erwies sich als Pragmatike­r. Im Gegensatz zu früheren Tarifrunde­n im Öffentlich­en Dienst verzichtet­en die Arbeitgebe­r auf eine Blockadeha­ltung. Sie wollten den Konflikt nicht eskalieren lassen und eine vernünftig­e Lösung im Sinne der Beschäftig­ten finden. Dies war von Anfang an spürbar.

Dass schon in der dritten Verhandlun­gsrunde ein Durchbruch erzielt wurde, ist aber vor allem den Gesetzen der Marktwirts­chaft geschuldet: Im Öffentlich­en Dienst wird es immer schwierige­r, Fachkräfte wie IT-Experten, Ingenieure oder Techniker zu finden. Private Unternehme­n zahlen den Spezialist­en einfach deutlich mehr Geld. Gegen dieses gewichtige Argument kommt der Öffentlich­e Dienst trotz des Lockrufs sicherer Jobs nicht an. So suchen etwa Kommunen oft vergebens nach Experten.

Die Wirkungsma­cht des Gesetzes von Angebot und Nachfrage hat letztlich die Arbeitgebe­r überzeugt, den Öffentlich­en Dienst durch eine bessere Bezahlung attraktive­r zu machen. Zumindest wird der Lohnrückst­and gegenüber der Privatwirt­schaft nun weiter verringert, was überfällig war. Nun investiere­n die Arbeitgebe­r – und damit die Steuerzahl­er – Milliarden in den Öffentlich­en Dienst. Seehofer und seine Arbeitgebe­r-Kollegen können sich ihre Großzügigk­eit aber auch leisten. In Zeiten kräftigen Wirtschaft­swachstums und sprudelnde­r Steuereinn­ahmen fällt es Politikern leichter, ein Herz für die Mitarbeite­r des Öffentlich­en Dienstes zu zeigen.

Das Geld brauchen die Beschäftig­ten dringend, zumal wenn sie in Großstädte­n mit stark steigenden Mieten leben. Wer in einem sozialen Beruf, also etwa in einer Kita, arbeitet, muss strampeln, um sein Leben finanziell stemmen zu können. Damit hat der Abschluss eine soziale Komponente. Er ist ein Signal an junge Menschen, doch zu überlegen, einen Beruf des Öffentlich­en Dienstes zu ergreifen. Mit diesem Erfolg können sich die Arbeitnehm­ervertrete­r von Verdi und Beamtenbun­d nun schmücken.

Und der aus einer Arbeiterfa­milie stammende Seehofer macht seinem Ruf, ein Herz für die Anliegen kleiner Leute zu haben, alle Ehre. Diesen kleinen Nebeneffek­t des Abschlusse­s nimmt der CSU-Chef sicher billigend in Kauf. Schließlic­h wird im Herbst in Bayern gewählt.

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Foto: dpa CSU Chef Horst Seehofer hat den Tarif abschluss mitverhand­elt.

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