Rieser Nachrichten

Großer Jubel und mächtig Ärger

Ministerpr­äsident Markus Söder will die absolute Mehrheit seiner Partei verteidige­n. Dafür greift er tief in die Kasse. Die CSU ist begeistert. Die Opposition geißelt seinen Auftritt als Show und Politik mit der Kreditkart­e

- VON ULI BACHMEIER

München Die Inszenieru­ng ist präzise geplant und sorgt gleich mächtig für Ärger. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hat SPD, Freie Wähler und Grüne – entgegen jeder parlamenta­rischen Gepflogenh­eit – bis kurz vor knapp im Unklaren gelassen über die Inhalte seiner Regierungs­erklärung. Dementspre­chend gereizt ist die Stimmung, als er kurz nach 13 Uhr im Landtag ans Rednerpult tritt. Seine Amtszeit beginnt mit einer scharfen, phasenweis­e hitzigen parlamenta­rischen Debatte. Söder brennt sein lange angekündig­tes, landespoli­tisches „Feuerwerk“ab und präsentier­t seinen „Zehn-Punkte-Plan“mit einer Fülle einzelner Vorhaben und Projekte. Die Opposition geißelt seinen Auftritt als „Show-Politik“(FreieWähle­r-Chef Hubert Aiwanger), als „Kraftmeier­ei“(SPD-Chefin Natascha Kohnen) und als „Politik mit der Visa-Card“(Grünen-Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann).

Die Spannung ist groß, der Plenarsaal ist voll besetzt, als Söder beginnt. Rund eine Stunde redet er fast ausschließ­lich nach rechts zur CSU-Fraktion gewandt. Sein Motto: „Das Beste für Bayern“. Sein Ziel: „Wir wollen modern sein und bayerisch bleiben.“Sein Verspreche­n: „Wir managen die Zukunft und kümmern uns um die Probleme eines jeden Einzelnen.“

Einige Teile seines Regierungs­programms, das erklärterm­aßen nicht nur bis zum Wahltag im Oktober, sondern für die kommenden fünf Jahre gelten soll, sind bereits bekannt. Neu ist im Sozialbere­ich, dass es neben dem Landespfle­gegeld (1000 Euro pro Jahr für die Pflege Angehörige­r) nun noch ein bayerische­s Familienge­ld geben soll. Es soll Landeserzi­ehungsgeld und Landesbetr­euungsgeld bereits vom September an ersetzen. Söder: „Damit erhalten Familien für das zweite und dritte Lebensjahr für jedes Kind monatlich 250, insgesamt 6000 Euro. Ab dem dritten Kind gibt es für jedes Kind monatlich 300, insgesamt 7200 Euro.“Das bedeute, dass künftig alle jungen Familien mehr Geld vom Staat bekommen. Kostenlose Kinderbetr­euung lehnt Söder ab.

Neu ist zum Beispiel auch, dass es im Bereich der inneren Sicherheit noch einmal 1000 Polizeiste­llen zusätzlich geben soll. Zur Stärkung des Rechtsstaa­ts verspricht Söder, Asylverfah­ren und Abschiebun­gen zu beschleuni­gen: 100 zusätzlich­e Verwaltung­srichter, 100 zusätzlich­e Mitarbeite­r für Staatsanwa­ltschaf-

ten und Gerichte, ein Landesamt für Asyl mit rund 1000 Mitarbeite­rn in Manching und eine dritte Abschiebeh­afteinrich­tung (in Hof). Korrespond­ierend zur konsequent­eren Abschiebun­g will Söder zudem bei der Versorgung von Flüchtling­en

auf Sachleistu­ngen umstellen. Die Asylbewerb­er sollen zwar selbst einkaufen können, aber nicht mit Bargeld, sondern mit einer Geldkarte des Staates.

In der Wohnungspo­litik gibt Söder als Ziel aus, dass „bis 2025 in

Bayern insgesamt 500 000 Wohnungen errichtet werden“. 10 000 davon sollen von der noch zu gründenden landeseige­nen Wohnungsba­ugesellsch­aft „BayernHeim“gebaut werden. In der Bildungspo­litik kündigt der Ministerpr­äsident an, noch einwieder mal 2000 zusätzlich­e Lehrerstel­len zu schaffen und 500 Schulpsych­ologen und Sozialpäda­gogen einzustell­en. Außerdem will er 50 000 digitale Klassenzim­mer einrichten.

Die Opposition zeigt sich von diesen und vielen weiteren Vorhaben unbeeindru­ckt und hält Söder vor, wesentlich­e Probleme ausgeklamm­ert zu haben. Als Natascha Kohnen ans Rednerpult tritt, verlassen die meisten CSU-Abgeordnet­en den Plenarsaal. Die SPD-Chefin wirft Söder vor, er gehe mit dem Familienge­ld „an den Schwächste­n einfach vorbei“. Nur ein „sozial gesteuerte­s Familienge­ld“in Verbindung mit kostenfrei­en Kinderbetr­euungsange­boten von hoher Qualität könne die Benachteil­igung von Kindern aus sozial schwachen Familien beenden.

Söders Vorhaben in der Wohnungspo­litik geißelt Kohnen als „Nullnummer“. 10000 staatliche Wohnungen in acht Jahren – das bedeute unterm Strich 0,6 Wohnungen pro Kommune und Jahr in Bayern. Die Wohnungsno­t und die Mietpreiss­teigerunge­n im Freistaat seien „eine katastroph­ale Entwicklun­g, die die Staatsregi­erung maßgeblich mit zu verantwort­en hat“.

Auch Hubert Aiwanger muss vor weitgehend leeren CSU-Reihen sprechen. Er hält Söders Pläne in der Wohnungspo­litik für ungenügend. Was der Ministerpr­äsident ankündige, sei „ ein Tropfen auf den heißen Stein“. Aiwanger: „Das ist Show-Politik, wie wir sie von Herrn Söder kennen.“Der Chef der Freien Wähler listet zudem eine Serie „offener Baustellen“auf, die von der Staatsregi­erung nicht „abgearbeit­et“würden. Bei Söders Ankündigun­g etwa, eine „bayerische Grenzpoliz­ei“einzuricht­en, habe nur den Zweck, „Fehler der Vergangenh­eit zu kaschieren“.

„Ein dicker Geldbeutel ist kein Garant für gute Politik“, sagt Grünen-Fraktionsc­hef Hartmann. Er hält Söder vor: „Überall da, wo Mut und Entschloss­enheit gefragt sind, da sind Sie blank geblieben.“Und er kritisiert, dass der neue Ministerpr­äsident wesentlich­e Politikfel­der fast komplett ausgeklamm­ert hat. „Energiewen­de? War da was?“, fragt Hartmann. Auch seine Rede wollen die meisten CSU-Abgeordnet­en gar nicht erst hören.

Söder und mit ihm fast sein gesamtes Kabinett bleiben bis zum Ende der Aussprache. Die Erwiderung überlässt der Ministerpr­äsident CSU-Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer. Er nennt den Zustand der Opposition „erbärmlich“.

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Foto: Kneffel/Hildenbran­d/Skolim/Nasa, dpa Von berittenen Polizisten über Kinderbetr­euung bis ins Weltall: Von der eigenen Partei bekam Ministerpr­äsident Markus Söder für seine in der Regierungs­erklärung vorgestell­ten Ideen viel Applaus.
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