Bayerischer Durchblick
Am Anfang war das Drahtgestell. Ob aus Mangel an Alternativen oder aus (fragwürdigen) modischen Erwägungen heraus trug Edmund Stoiber in seinen Anfangszeiten in der bayerischen Politik den schlichten Klassiker unter den Sehhilfen. Mit dem Erfolg zog in Stoibers Gesicht der Fortschritt ein. Erst griff er zur formschönen Hornbrille, ehe er entschied, sich keine Grenzen mehr setzen lassen zu wollen, und sich eine randlose Brille zulegte. In diesen Tagen nun verbreitet sich die Nachricht, dass Stoiber seit kurzem ganz ohne Sehhilfe auskommt. Einer Augenoperation sei Dank.
Nun ist die womöglich finale Veränderung im Antlitz des Ruheständlers nicht zwingend eine Erwähnung wert – hätte es Stoiber nicht einst geschafft, mit seiner ophthalmologischen Weiterentwicklung zu einer Art Pionier der politischen Brillenträger zu werden und Maßstäbe für nachfolgende CSUGenerationen zu setzen.
Horst Seehofer ist in den vergangenen Jahren ohne Brille über die Runden gekommen. Markus Söder scheint ebenfalls mit gutem Augenlicht gesegnet und nicht auf die Brillenexpertise seines Lehrmeisters angewiesen. Bei Alexander Dobrindt sieht es da schon anders aus. Optisch setzt er auf die gesichtsdominierende Wirkung einer Hornbrille. Inhaltlich vertraut der Chef der CSU-Landesgruppe in Berlin auf markige Sprüche und den Blick durch die bayerische Brille. Allerdings scheiden sich die Geister bei der Frage, ob er dabei immer den Durchblick behält. Vielleicht würde ihm Stoiber ja zu Gläsern mit mehr Weitsicht raten. Oder ihm sagen, dass weniger manchmal mehr ist. Am Anfang war schließlich das Drahtgestell.