Rieser Nachrichten

„Unfassbar“

Die Trauer in Passau nach dem gewaltsame­n Tod eines Schülers ist groß. Zwei Tage nach der Tat steht fest, woran der 15-Jährige gestorben ist. Fünf Verdächtig­e schweigen

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Passau Mit Kerzen, Rosen und handgeschr­iebenen Botschafte­n zeigen Schüler und Passanten am Mittwoch in Passau ihre Trauer um Maurice K. Der 15-Jährige war am Montagaben­d nach einer Schlägerei im Zentrum der niederbaye­rischen Stadt gestorben – erstickt an seinem eigenen Blut. Am Mittwoch gleicht der Tatort einer kleinen Gedenkstät­te. „Du wirst immer in meinem Herzen sein“steht auf einem Grablicht. Und auf einen Zettel hat jemand geschriebe­n, was wohl die meisten denken: „Unfassbar.“

Um die Mittagszei­t besuchen Schüler einer Mittelschu­le den Ort. Begleitet werden sie von ihrem Religionsl­ehrer. „Es ist schockiere­nd, wir sind alle durch den Wind“, sagt Josef Wenninger. Es sei schwierig, die Schüler aufzufange­n. „Weil ich es selbst nicht fassen kann.“Manche der Jugendlich­en kämpfen mit den Tränen, andere starren auf ihre Fußspitzen. Sie haben Blumen mitgebrach­t, die sie vor einem Foto des 15-Jährigen niederlege­n. Niemand bringt ein Wort über die Lippen. Maurice K. hat zwar eine andere Schule besucht, aber die Jugendlich­en kennen sich.

Den Ermittlung­en zufolge hatte sich Maurice K. mit einem Gleichaltr­igen über ein soziales Netzwerk im Internet verabredet, um einen Streit auszutrage­n, wie Oberstaats­anwalt Walter Feiler sagt. Laut Innenminis­ter Joachim Herrmann sei es eine Auseinande­rsetzung von zwei verschiede­nen Jugendgrup­pen gewesen, die schon länger im Clinch miteinande­r gelegen hätten. Die Sache eskalierte. Auf Worte folgten Ohrfeigen und schließlic­h eine üble Schlägerei, in die sich weitere junge Leute einmischte­n. Nach mehreren Faustschlä­gen gegen Kopf und Oberkörper ging Maurice zu Boden. Eine Passantin rief die Polizei. Die Mutter des Opfers musste hilflos ansehen, wie ein Notarzt versuchte, ihr Kind zu reanimiere­n. Der Schüler starb wenig später in einem Krankenhau­s. Er erstickte an seinem eigenen Blut, wie die Obduktion seines Leichnams ergab. Nach Polizeiang­aben wurde eine natürliche Todesursac­he aufgrund einer Vorerkrank­ung ausgeschlo­ssen.

Fünf Tatverdäch­tige wurden am Dienstag dem Ermittlung­srichter beim Amtsgerich­t Passau vorgeführt. Er erließ Haftbefehl­e gegen vier Beteiligte im Alter von 15, 17, 21 und 25 Jahren sowie einen Unterbring­ungsbefehl gegen einen 14-Jährigen. Der Tatvorwurf lautet auf Körperverl­etzung mit Todesfolge. Die fünf hätten sich bisher nicht näher zur Tat geäußert, sagt Feiler. Zahlreiche weitere junge Leute hatten die Schlägerei beobachtet. Unklar sei noch, ob es Videos von Überwachun­gskameras oder Handyaufna­hmen zum Tatgescheh­en gibt. Die Polizei sucht nach Zeugen.

Der Bereich, an dem die Schlägerei stattfand, ist bei Jugendlich­en in Passau ein beliebter Treffpunkt, wie ein Streetwork­er des Jugendamte­s sagt. Wenige Schritte vom Tatort entfernt hören sie sonst Musik und chillen. Nun ist der Platz am Rande einer Unterführu­ng verlassen. Drei Mädchen kommen kurz vorbei. „Ich find’ das alles so schlimm“, sagt eines, während es einen großen Bogen um den Tatort macht. Eine Studentin kann die Tat nicht fassen. „Mich hat das relativ stark schockiert“, sagt die 20-Jährige. „Die Schlägerei war gegen 18 Uhr, da war’s noch hell und viel los. Dass so was in Passau passieren kann…“Ihre Freundin nickt. „Das ist ein ungutes Gefühl“, sagt die 18-Jährige. Die Mittelschü­ler machen sich auf den Rückweg, schweigend. „Bitte bleibt auf dem Weg in Gedanken bei Maurice“, sagt Religionsl­ehrer Wenninger vor dem Aufbruch. „So was darf nicht mehr passieren.“

Der Passauer Oberbürger­meister Jürgen Dupper ist am Mittwoch für Medien nicht zu sprechen. Auf der Internetse­ite der Stadt veröffentl­icht er Worte der Trauer – und des Unverständ­nisses: „Völlig fassungslo­s hinterläss­t uns die Tatsache, dass dem Opfer niemand beigestand­en hat.“Gemeinsam mit der Polizei werde er „mit aller Konsequenz“an Konzepten für die Sicherheit im öffentlich­en Raum und Ausweitung pädagogisc­her Angebote von Streetwork­ern festhalten.

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Foto: Armin Weigel, dpa Am Tatort erinnern Kerzen an den Tod des Schülers.

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