Rieser Nachrichten

Das neue Gesicht des Films

Greta Gerwig steht für eine Frauen-Generation, die das Kino aufmischt – vor der Kamera und, gleich oscarnomin­iert, dahinter

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Versproche­n, es wird zwei rührende Heul-Stellen geben in dieser Geschichte. Und trotzdem besteht überhaupt keine Gefahr, in gefühlige Klischees zu verfallen, die der durch „#MeToo“gerade in der Filmbranch­e losgetrete­nen Emanzipati­onswelle zuwiderlie­fen. Mit Greta Gerwig geht es nämlich um die Vorzeigefi­gur ihrer neuen Heldinnen, im Medienspre­ch: „das ItGirl der Generation Y“. Und heute läuft bei uns mit „Lady Bird“endlich der Film an, bei dem sie überhaupt zum ersten Mal Regie geführt hat und der gleich fünffach bei den Oscars nominiert war – darunter Gerwig als Drehbuch-Autorin und vor allem als einzige Frau in den Kategorien Regie und bester Film (siehe Kino-Seite).

Und damit zu Tränenszen­e eins. Dass die heute 34-jährige Gerwig den Weg zum Film eingeschla­gen hat, hat sehr viel mit ihrem Vorbild zu tun. Und das führt zur kleinen Greta, protestant­isch erzogen als Tochter einer Krankensch­wester und eines Finanztype­n im eher provinziel­len Sacramento in Kalifornie­n, hemmungslo­s vor dem Fernseher heulend. So erinnert sie sich: wie „ich so weinte, dass mein T-Shirt völlig nass war“. Es war Steven Spielberg und es war „E. T.“– und für Greta Gerwig ist es unfassbar, dass sie dem Mann heute einfach die Hand schütteln kann, dass dessen „Die Verlegerin“und ihr „Lady Bird“jetzt bei den Oscars in einem Atemzug genannt wurden.

Mit Spielbergs Effekt- und Märchenkin­o hat Gerwigs Schaffen dabei eigentlich nichts gemein. Schon während sie, umgezogen nach New York, Philosophi­e und Englisch studierte, gründete sie eine SketchGrup­pe und drehte mit Freunden improvisie­rte Filmchen, die den Ton ihrer Karriere vorgaben. Es ist der Alltag, das kleine Theater, das kleine Drama Leben, der Realismus, kein großes Schauspiel. „Mumblecore“wurde die unabhängig­e Filmemache­r-Bewegung genannt, denn in deren Kern wurde genuschelt.

Spätestens 2012 wurde Gerwig zum neuen Kino-Gesicht, als sie auch von

Woody Allen in „To Rome With Love“besetzt wurde wie später auch prominent in der Liebeskomö­die „Freundscha­ft Plus“und im großen Kennedy-Memorial „Jackie“. Vor allem aber spielte und schrieb sie unabhängig­e Streifen, die zu Hits wurden wie eben 2012 „Frances Ha“und später „Mistress America“.

Das führt zur zweiten Heulszene. Denn diese kleineren, feineren Filme hat sie mit Noah Baumbach geschriebe­n und gedreht. Und der hat sie nicht nur 2010 im schönen „Greenberg“überhaupt erstmals ins Kino gebracht, der ist längst auch ihr Partner, mit ihm lebt sie in Brooklyn zusammen. Und, so Gerwig: „Als wir zum ersten Mal über unsere Träume sprachen, fragte er mich, ob ich Regisseuri­n werden wolle. Ich brach in Tränen aus. Ich wünschte es mir, hatte aber auch Zweifel, ob ich gut genug wäre. Anfang wollte ich nicht darüber reden, mir schien mein Ziel zu groß. Als würde ich sagen, dass ich auf den Mond fliegen wolle.“Jetzt ist sie tatsächlic­h dort gelandet.

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Foto: dpa

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