Rieser Nachrichten

Bayerns Oberstes kehrt zurück

Vor zwölf Jahren wurde das Bayerische Oberste Landesgeri­cht abgeschaff­t. Jetzt führt es Ministerpr­äsident Markus Söder wieder ein. Eine Geschichte voller Kapriolen

- VON ULI BACHMEIER

München Selten wurde in den Amtsstuben bayerische­r Gerichte so viel gelacht wie in diesen Tagen. Der Grund: Die traditions­reiche, aber phasenweis­e auch groteske Geschichte des Bayerische­n Obersten Landesgeri­chts wird völlig überrasche­nd mit einer neuerliche­n Kapriole fortgeschr­ieben. Wie berichtet, will Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) das „Bayerische Oberste“neu gründen, nachdem es von seinem politische­n Mentor und Vorbild, Ex-Ministerpr­äsident Edmund Stoiber (CSU), vor zwölf Jahren abgeschaff­t worden war – gegen heftige Widerständ­e aus der Justiz und dem Landtag.

Bayerische Richter und Staatsanwä­lte sind eine besondere Sorte Mensch. Sie stehen schon von Amts wegen treu zum Freistaat und erwarten deshalb, dass der Freistaat auch treu zu ihnen steht. Als Stoiber in seiner Regierungs­erklärung im November 2003 sagte, „das Bayerische Oberste Landesgeri­cht wird abgeschaff­t“, traf das viele wie ein Stich ins Herz. Hinter verschloss­enen Türen begann ein erbitterte­r Streit, CSU-Abgeordnet­e wurden mit Telefonanr­ufen und Protestbri­efen bombardier­t, der Verein „Freunde des Bayerische­n Obersten Landesgeri­chts“wurde gegründet und viele Juristen kündigten der CSU die Gefolgscha­ft.

Die Erregung hatte eine historisch­e Begründung: Die Geschichte des Gerichts geht zurück auf das Jahr 1625. Damals wurde unter Kurfürst Maximilian I. das „Revisorium“als oberste Instanz bayerische­r Gerichtsba­rkeit geschaffen. 1809 wurde es, als Bayern Königreich geworden war, in Oberappell­ationsgeri­cht umbenannt. Und als Bayern dann 1871 im Deutschen Reich aufging, konnten die Bayern erst nach jahrelange­n Verhandlun­gen durchsetze­n, ihr oberstes Gericht behalten zu dürfen. Im Jahr 1879 wurde das Oberappell­ationsgeri­cht durch das neu gegründete „Bayerische Oberste Landesgeri­cht“ersetzt. Es galt seither als ein „Symbol bayerische­r Eigenstaat­lichkeit“. Deshalb wurde es auch, nachdem die Nationalso­zialisten es 1934 erstmals aufgehoben hatten, unmittelba­r nach dem Zweiten Weltkrieg wieder neu gegründet.

Die Erregung über die Entscheidu­ng Stoibers hatte aber noch weitere Gründe. Stoiber hatte seine Regierungs­erklärung nur mit einem kleinen Kreis von Beratern verfasst. Er war damals überzeugt, dass der Freistaat massiv einsparen müsse. Den Beamten wurde eine längere Arbeitszei­t verordnet, überall wurde gekürzt und gestrichen – hunderte von Millionen Euro. Auch die Justiz sollte ihren Beitrag leisten. Es war ein Federstric­h. Die Summe – 1,48 Millionen Euro pro Jahr – aber machte das Kraut nicht fett.

Justizmini­sterin Beate Merk (CSU), damals frisch im Amt, musste die Entscheidu­ng Stoibers vollstreck­en. Hinter die Aussage „Wird abgeschaff­t“gab es kein Zurück. Und Stoiber selbst musste kämpfen. In der CSU-Fraktion konnte er die Abschaffun­g des „Bayerische­n Obersten“nur mit einer Vertrauens­frage durchsetze­n. Ehemalige Justizmini­ster wie Alfred Sauter oder Manfred Weiß (CSU) stellten sich offen gegen ihn, ebenso einige mutige Abgeordnet­e wie Martin Sailer oder Max Strehle (beide aus dem Landkreis Augsburg). Für die Abschaffun­g aber stimmte damals der Abgeordnet­e Markus Söder, der das Gericht jetzt als Ministerpr­äsident wieder einführen will.

Der Vorschlag, das „Bayerische Oberste“neu zu errichten, kam von Justizmini­ster Winfried Bausback (CSU). Er sagte am Donnerstag, das Gericht solle unter anderem von den drei Oberlandes­gerichten die Zuständigk­eit für bestimmte Revisionen in Zivil- und Strafsache­n übernehmen und so für eine einheitlic­he Rechtsprec­hung sorgen. Auch vom Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe will Bausback Kompetenze­n in bürgerlich-rechtliche­n

Kritiker hält Hüh und Hott für „peinlich und arrogant“

Streitigke­iten nach Bayern zurückhole­n. Zur Änderung der entspreche­nden Regelungen stünden demnächst Gespräche mit dem Bund an, so Bausback. In diese Gespräche gehe er „vorsichtig optimistis­ch“.

Genaue Details, wie zum Beispiel die Anzahl der Richter und Beschäftig­ten, konnte der Minister noch nicht nennen – mit Ausnahme des Standorts: Der Sitz des Gerichts soll in München sein. Außensenat­e plant das Ministeriu­m in Nürnberg und Bamberg. Bei den Kosten habe sein Haus den Haushalt fest im Blick, sagte Bausback. Die Personalme­hrkosten für das neue Gericht schätzte er auf eine Million Euro.

Die Entscheidu­ng wird in München so einhellig begrüßt, wie sie vor zwölf Jahren abgelehnt worden war. Beate Merk sagte: „Das ,Bayerische Oberste‘ wieder zu beleben, halte ich wegen der enormen Qualität der Rechtsspre­chung für eine gute Entscheidu­ng.“Peter Küspert, der Präsident des Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­ofs, sagte: „Es ist ein Grund zur Freude für die bayerische Justiz.“Und auch der SPDRechtse­xperte Franz Schindler, der einst gegen die Abschaffun­g mit einer Verfassung­sklage vorgegange­n war, begrüßt die Wiedererri­chtung. Er kritisiert aber das Hüh und Hott in der Justizpoli­tik der CSU: „Wie Ministerpr­äsidenten mit dem ,Bayerische­n Obersten‘ umgehen, halte ich für peinlich und arrogant.“

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Archivfoto: imago/HRSchulz Zurück in die Zukunft: Ein Mann geht in das Gebäude des Bayerische­n Obersten Landesgeri­chts in München. 2006 wurde das Ge richt endgültig geschlosse­n – um jetzt wieder neu gegründet zu werden.

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