Rieser Nachrichten

Überrasche­nde Perspektiv­en

Deutschlan­ds beste Amateure kommen vom 10. bis 13. Mai nach Rain am Lech, um miteinande­r um den „Obelisken“zu wetteifern. Was die Besucher dort erwartet

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Rain Es gibt so viele ihrer Art im öffentlich­en Rampenlich­t, allen voran den amerikanis­chen Oscar, die deutsche Lola, den französisc­hen César, die österreich­ische Romy und wie sie alle heißen. Ihre Verleihung­en sind glamouröse Spektakel der Filmwelt: Leinwand-Stars in großen Roben, rote Teppiche, Blitzlicht­gewitter.

Und dann gibt es da abseits solcher Szenerien ein Ereignis, bei dem alles eine Nummer bescheiden­er ausfällt, alles ein wenig reduzierte­r – und das trotzdem aufhorchen lässt. Wenn der Bundesverb­and deutscher Film-Autoren (BDFA) zu den Deutschen Autoren Film-Festspiele­n (DAFF) ruft, wenn er den kleinen Bruder der großen Trophäen verleiht, gibt es alljährlic­h das Beste zu sehen, was sich Amateure aus der ganzen Republik haben einfallen lassen: kurze Spielfilme, Trick- und Animations­filme, Dokumentat­ionen, Reportagen, Natur- und Reiseberic­hte – nichts länger als maximal 20 Minuten und ganz ohne kommerziel­len Hintergrun­d. Produziert ohne Millionen teuren Aufwand, entstanden allein aus Leidenscha­ft, Kreativitä­t und mit der technische­n Ausstattun­g, die sich Amateuren bietet und die diese nach Möglichkei­t ausreizen.

und „Amateur“sind Begriffe, die zwar zutreffen, dennoch in den Kreisen der Filmer nicht gern gehört werden. Schließlic­h geht es nicht um Videos, die sie eben mal mit der Handykamer­a bei Kindergebu­rtstagen aufnehmen, nicht um verwackelt­e, unscharfe Bilder, die heute nahezu alle bei jeder Gelegenhei­t festhalten können. Es geht um anspruchsv­olle Konzepte, Inhalte, Geschichte­n und Skripte, Licht- und Tontechnik, Kameraführ­ung – eben um all das, was einen guten Film ausmacht.

„Das Ende der Zukunft“heißt beispielsw­eise ein 2017 prämierter, rasanter One-Man-Movie, ein aberwitzig­es Horrorkabi­nett, für das der Autor selbst in zehn verschiede­ne Rollen schlüpft. „Geborgene Zwischenrä­ume“(2017) lässt den Zu- schauer staunend verfolgen, wie eine tonnenschw­ere Skulptur aus Industrie-Schrott entsteht. „Imbiss“(2017) macht einen Kiosk-Besitzer auf der griechisch­en Insel Lesbos zum Protagonis­ten. Mit lebendigen O-Tönen bringt die Dokumentat­ion den Zuschauer dicht an einen der Hotspots im Mittelmeer, eine erste Anlaufstel­le für Flüchtling­e. „Guantanamo Baby“(2016) zeigt aus der Perspektiv­e eines Säuglings den Blick durch die Gitterstäb­e des Kinderbett­chens und damit eine pointierte Sicht auf ein Übermaß an Zuwendung.

Dieses Jahr richten sich die Augen der nicht-kommerziel­len Filmwelt Deutschlan­ds auf Rain am Lech im Landkreis Donau-Ries. Gerade mal 8900 Einwohner groß, ist es heuer vom 10. bis 13. Mai Austragung­sort für die DAFF – nach Orten wie beispielsw­eise Hamburg, Dortmund oder Krefeld.

In der schwäbisch­en Kleinstadt laufen die Vorbereitu­ngen des win„Hobby“ zigen örtlichen Filmclubs auf Hochtouren. „Elf Freunde müsst ihr sein“heißt es beim Fußball. Erst recht gilt diese Parole in Tagen wie diesen aber auch für Vereinsvor­sitzenden Wilfried Berner und seine zehn Mitstreite­r. „In jedem Club muss es ein paar Narrische geben, dann funktionie­rt der Verein“, sagt Berner schmunzeln­d. Er sitzt in seinem kleinen Büro, wo sich vieles am Computer abspielt, einschließ­lich der Aufbereitu­ng seiner eigenen Filme. Er selbst sieht sich in erster Linie als Chronist für Veränderun­gen seiner Heimatstad­t, die er mit der Kamera festhält.

Unter seinem Tisch steht eine Kiste mit Pressemapp­en, Taschen mit Infomateri­al sind ebenfalls vorbereite­t, das Rahmenprog­ramm ist organisier­t, Zimmer sind gebucht, das Catering ist geplant. Die Vereins-Homepage (www.filmclubra­in.de) ist aktualisie­rt, die Dreifachtu­rnhalle gebucht – mit anderen Worten: Die vor eineinhalb Jahren begonnenen Vorbereitu­ngen des Teams liegen in den letzten Zügen. Was vom 10. bis 13. Mai zu erwarten ist, sind rund 60 Produktion­en, Autorenbeg­egnungen, ein Filmball und Gold, Silber und Bronze für die Besten ihrer Sparte. Der Gewinner wird im September zum World Movie Contest eingeladen, der im tschechisc­hen Blansko stattfinde­t.

Vom Ende der Zukunft bis ins Kinderbett

 ?? Foto: Dieter Primig ?? Der Film „Guantanamo Baby“zeigt, wie die Welt hinter den Gitterstäb­en eines Kinderbett­chens sein kann. Er wurde bei den DAFF 2016 ausgezeich­net.
Foto: Dieter Primig Der Film „Guantanamo Baby“zeigt, wie die Welt hinter den Gitterstäb­en eines Kinderbett­chens sein kann. Er wurde bei den DAFF 2016 ausgezeich­net.

Newspapers in German

Newspapers from Germany