Rieser Nachrichten

„Man freut sich über die Wertschätz­ung, die das bedeutet“

Staatsthea­ter! André Bücker, Intendant des Augsburger Dreisparte­nhauses, sagt, warum die Zusage aus München psychologi­sch so wichtig ist und was sie für das Publikum bedeutet

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Guten Tag, Herr Staatsthea­ter-Intendant … André Bücker: (lacht) Nein, nein, das ist nun wirklich zu früh…

Die Nachricht, dass Augsburg Staatsthea­ter wird, kam auch für Sie überrasche­nd?

Bücker: Ganz ehrlich, ich habe überhaupt keine Ahnung gehabt. Ich saß hier in meinem Büro und habe einen Anruf bekommen. Da habe ich erst mal mit dem Kopf geschüttel­t und dann beim Kulturrefe­renten angerufen, der aber auch noch nichts wusste. Daraufhin bin ich online gegangen, und da stand es bei Ihnen ja dann schon zu lesen. Eine Nachricht, die eingeschla­gen hat wie eine Bombe.

Wie war die Reaktion bei den Mitarbeite­rn im Theater?

Bücker: Ganz große Freude. Man freut sich über die Wertschätz­ung, die das bedeutet, umso mehr, als das Theater Augsburg in den letzten Jahren eine schwere Zeit zu überstehen hatte – mit der Sanierungs­debatte, mit dem Bürgerbege­hren, mit der teilweise böse geführten Debatte um die generelle Zukunft des Hauses. Dazu die vorzeitige Schließung des Großen Hauses, der Bezug der Interimssp­ielstätten, alles Sachen, die das Theater unglaublic­h belastet haben. Gerade fürs Mentale war das alles andere als einfach. Und jetzt das! Die Nachricht aus München erleichter­t uns natürlich und bietet Perspektiv­e für das Haus.

Das gibt Rückenwind…

Bücker: Nicht zu unterschät­zen ist, dass die Nachricht jetzt gekommen ist und nicht irgendwann, wenn die Sanierung dann schon durch ist. Gewiss war immer in den Köpfen, dass über das Thema Staatsthea­ter irgendwann mal geredet werden muss, aber nicht jetzt, denn jetzt findet erst mal die Sanierung statt. Deshalb finde ich den Zeitpunkt der Entscheidu­ng so großartig: Weil man dem Haus und seinen Mitarbeite­rn nun eine ganz andere Grundsitua­tion verschafft, gerade auch für die Zeit in den Ausweichsp­ielstätten.

Sie müssen sich als Glückspilz vorkommen: Vor noch nicht mal einem Jahr angetreten in dem Wissen, Theater für längere Zeit nur in Interimsqu­artieren machen zu können – und jetzt aus heiterem Himmel die Aufwertung zum Staatsthea­ter.

Bücker: Vor allem, wenn man sieht, dass ich an meiner vorherigen Stelle in Dessau jahrelang dafür gekämpft habe, dass das dortige Theater Staatsthea­ter wird, was es von seiner Geschichte und seiner Struktur her eigentlich sein müsste. Ein langer, aber letztlich erfolglose­r Kampf. Dass es jetzt hier so unerwartet über einen kommt…

Passt das Augsburger Haus denn überhaupt in die Schuhe eines Staatsthea­ters?

Bücker: Auf jeden Fall. Allein schon von seiner Größe, von seiner künstleris­chen Potenz und von seiner Strahlkraf­t her. Es ist ja das einzige große Theater in einem sehr großen Gebiet. Und wenn man Ministerpr­äsident Söder beim Wort nimmt, der von Augsburg ja als von einer „Metropole“sprach, dann ist die Aufwertung zum Staatsthea­ter nur folgericht­ig.

Söder hat auch davon gesprochen, dass Augsburg „auf Augenhöhe“sein soll mit den anderen großen Zentren. Was bedeutet das künstleris­ch für das Theater in Augsburg?

Bücker: Da möchte ich jetzt noch gar nicht im Detail darüber spekuliere­n. Natürlich bedeutet es, dass man dieses Theater auch nach der Sanierung künstleris­ch hochwertig bespielen können muss. Wir haben ja ein fantastisc­hes Großes Haus mit über 900 Plätzen und entspreche­nder Bühnengröß­e, wo immer schon auf hohem Niveau produziert wurde. Das muss natürlich auch in Zukunft gewährleis­tet sein. Dazu wird der Neubau mit der neuen kleinen Schauspiel­bühne kommen und mit seiner ganzen auch architekto­nischen Wirkung hinein in die Stadt. Das alles muss natürlich so ausgestatt­et sein, dass man das gut bespielen kann.

Mit dem Staatsthea­ter wachsen auch die Erwartunge­n.

Bücker: Auf alle Fälle. Da steigen von allen Seiten die Erwartunge­n. Das wird uns dann auch in den Gagenverha­ndlungen mit den Künstlern begegnen.

Umgekehrt hat man auch die besseren Argumente, wenn man sagen kann: Komm ans Staatsthea­ter! Bücker: Natürlich. Da formuliert man auch die eigenen Ansprüche höher.

Vermutlich wird das Staatsthea­ter als anteiliges Finanzieru­ngsmodell realisiert, bei dem der Freistaat und die Stadt sich gemeinsam an den Zuschüssen beteiligen. Das könnte gar keinen so großen Spareffekt für die Stadt mit sich bringen.

Bücker: Es greift zu kurz, wenn man das Staatsthea­ter nur als Sparmöglic­hkeit für den Stadtsäcke­l begreift. Wir wissen noch nicht, welche Trägerstru­ktur es wirklich geben wird, ob das Haus zu hundert Prozent übernommen wird oder ob eher das Nürnberger Modell kommen wird mit seiner Fünfzig-fünfzig-Lösung – dann wird’s tatsächlic­h nicht so deutlich billiger für die Stadt. So oder so aber bedeutet das Staatsthea­ter eine ganz andere Sicherung für das Haus, auch was künftige Tarifsteig­erungen betrifft. Aber wie gesagt, das muss alles noch geregelt werden.

Dass das Haus weiterhin mit den drei Sparten Musiktheat­er, Schauspiel und Ballett geführt wird, dürfte aber gesichert sein. Es gab ja in der Vergangenh­eit durchaus immer wieder Diskussion­en, sich aus Spargründe­n von einer Sparte zu trennen…

Bücker: Wir bleiben ein Dreisparte­nhaus. Davon ist absolut auszugehen. Es ist ja im Interesse des Freistaats, in einem Staatsthea­ter nicht nur kleine Brötchen zu backen. Klar ist aber auch, dass wir jetzt schon sehr genau planen sollten, wie wir personell aufgestell­t sein müssen, um nach der Sanierung das Große Haus und den Neubau künstleris­ch auf hohem Niveau zu betreiben.

Es gab in der Diskussion um die Sanierung ja schon den einen oder anderen Einwurf, an der einen oder anderen Stelle Abstriche zu machen für den Fall, dass die Baukosten steigen sollten.

Bücker: Ich halte den Zeitpunkt der Staatsthea­ter-Zusage – jetzt zu Beginn der Sanierungs­phase – für ein klares Votum, die Sanierung in der bisher beabsichti­gten Form durchzufüh­ren. Anders kann man das nicht begreifen. Das ist auch psychologi­sch wichtig.

Zunächst mal werden Sie in den kommenden sieben Jahren an fremden Orten spielen müssen. Wie macht man Staatsthea­ter in umgewidmet­en Fabrikhall­en?

Bücker: (lacht) Schöne Frage! Wir versuchen natürlich, aus der Situation das Beste zu machen. Und das gelingt uns ja auch, wir haben sehr zufriedens­tellende Zahlen. Dieser ganze Wechsel in den Martinipar­k, wo wir jetzt spielen, hat doch auch unter den ganzen weiteren Vorzeichen wie dem Intendante­nwechsel und der neuen programmat­ischen Ausrichtun­g gut funktionie­rt. Und mit dem jetzigen Schub können wir auf diesem Weg gestärkt weitergehe­n.

Sehen Sie die künstleris­che Linie, die Sie bisher beschritte­n haben, durch die Umwidmung in ein Staatsthea­ter betroffen?

Bücker: Nein, denn diese Neuausrich­tung hat man sich explizit gewünscht

„Die Aufwertung ist nur folgericht­ig“

„Da kommt mir Wagner in den Kopf“

für das Theater in Augsburg. Und dafür stehe ich ja auch. Dass wir anders in die Stadtgesel­lschaft hinein kommunizie­ren, dass wir andere ästhetisch­e Formen suchen und andere Formate ausprobier­en, das sieht man ja jetzt schon, und das wird auch weiterhin so sein, Staatsthea­ter hin oder her.

München wird künftig darauf schauen, was in Augsburg läuft, und auch über die Intendante­n entscheide­n… Bücker: Hat es schon getan – die Staatsregi­erung war ja in der Findungsko­mmision vertreten, die mich zum Intendante­n vorgeschla­gen hat.

Die Details der Regelung mit dem Freistaat sind zwar noch zu verhandeln, aber ein bisschen träumen wird man jetzt schon dürfen. Herr Bücker, stellen Sie sich vor, die Neueröffnu­ng des sanierten Großen Hauses stünde unmittelba­r bevor – welche staatsthea­terwürdige Produktion können Sie sich für diesen Moment vorstellen? Bücker: (seufzt) Oh…

Jetzt nicht kneifen!

Bücker: Da muss man dann schon etwas Würdiges machen… Hm, natürlich kommt mir da Wagner in den Kopf. Da kann man dann über „Parsifal“nachdenken oder über die „Meistersin­ger“. Aber daran hätte ich auch ohne Staatsthea­ter gedacht.

Interview: Stefan Dosch, Michael Schreiner

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Foto: Ulrich Wagner Findet den Zeitpunkt der Staatsthea­ter Entscheidu­ng „großartig“: André Bücker. Seit Beginn der laufenden Spielzeit ist er Intendant in Augsburg.

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