Michael Wollny setzt Zeichen
Wir kennen das: Hin und wieder mal ein neues Album, hin und wieder mal ins Studio. So etwas gehört zum Musikerleben. Auch ein Doppelalbum bleibt da noch im Rahmen. Doch zeitgleich zwei Alben zu veröffentlichen, die deutlich unterschiedliche Strukturen besitzen, das darf man als Statement bezeichnen. Mit „Oslo“und „Wartburg“, einer Studiound einer Live-CD, macht das Trio von Michael Wollny, Deutschlands erklärtem Jazz-Superstar, darauf aufmerksam, dass es die Explorationen seiner Klangwelten in eine unbekannte Dimension überführt. Mit Eric Schaefer am Schlagzeug und dem Kontrabassisten Christian Weber scheint für Wollny musikalisch fast alles möglich zu sein.
Mit „Oslo“, aufgenommen bei Jan Erik Kongshaug in dessen Rainbow Studio, ist Wollny ein ganz großer Wurf gelungen. Er und seine Partner öffnen eine Türe, die eine Chance zur Flucht aus allen bekannten Beschränkungen des Genres ermöglicht. Die Truppe integriert ihr dichtes, feinnerviges Zusammenspiel in das des Norwegian Wind Ensembles, eines klassisches Bläserensembles unter Führung von Geir Lysne. Dabei trifft ein satter, dunkler Bläsersound auf mitreißend erdige Grooves, generiert von Wollnys expressiver Fingerfertigkeit und Schaefers sensiblem, abstraktem Timekeeping. Die Grenzen zwischen Jazz und Klassik verschwimmen, neue Horizonte werden hörbar.
Direkt nach der Aufnahme reiste das Trio nach Eisenach, um dort auf der Wartburg ein Konzert zu geben. Zu späte Ankunft, hektischer Aufbau im Rittersaal: Alles kein Problem! Wollny lässt die Zügel lockerer und wartet, was da so kommt an Ideen und Expressionen. Immer wieder blitzt dabei musikalisches Treibgut aus der persönlichen Vita der drei Protagonisten auf. Mit dem Saxofonisten Emile Parisien verschieben sich die Koordinaten obendrein wieder ein Stückchen in Richtung traditioneller Jazz.
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