Rieser Nachrichten

Vertreibun­g aus dem Paradies

Auf Mallorca besetzen Mitglieder eines Roma-Clans das Ferienhaus eines Steuerbera­ters. Jetzt hat der Mann sich mit einer ungewöhnli­chen Methode seine Immobilie zurückgeho­lt

- VON RALPH SCHULZE Palma de Mallorca

Ein Albtraum: Vor Monaten hatten sich Hausbesetz­er in der Ferienvill­a des Deutschen Frank Zingelmann auf Mallorca breit gemacht. Da die spanische Polizei in solchen Fällen nur mit einem gerichtlic­hen Räumungsbe­fehl einschreit­en kann, der wegen der überlastet­en Justiz aber oftmals erst nach Jahren erlassen wird, griff der 48-jährige Zingelmann nun zur Selbsthilf­e: Der deutsche Steuerbera­ter aus Hamburg stieg mit zwei Freunden in seine eigene Villa in der Nähe der Inselhaupt­stadt Palma ein – und es gelang ihm, die Eindringli­nge zu vertreiben.

Auch andere Ferienhaus­besitzer auf Mallorca machten mit Okupas, wie Hausbesetz­er in Spanien genannt werden, unangenehm­e Bekanntsch­aft: Einige lösten das Problem ebenfalls auf eigene Faust. Etwa mit Hilfe der Firma Desokupa des Ex-Boxers Daniel Esteve, der mit seiner Truppe breitschul­triger Männer versucht, Besetzer „legal und schnell“zum Abzug zu bewe- Drei Objekte auf der Insel habe er in den letzten Monaten geräumt, berichtete Esteve dieser Tage.

Auch unter Frank Zingelmann­s Freunden war übrigens ein durchtrain­ierter Boxer, was möglicherw­eise nicht ohne Eindruck auf die Besetzer blieb. Nach der erfolgreic­hen Rückerober­ung seines Eigentums schickte Zingelmann eine schriftlic­he Erfolgsmel­dung an die Medien. „Wir sind mit drei Personen in meine Finca eingedrung­en und haben uns verschanzt. Wir halten diese nunmehr seit über 72 Stunden besetzt.“Nach Verhandlun­gen seien die Okupas – Mitglieder eines Roma-Clans – freiwillig abgezogen, berichtete Zingelmann.

Eine Mitteilung, die nicht ohne Ironie ist und auf die absurde Rechtslage in Spanien anspielt. Denn das spanische Gesetz schützt die Hausbesetz­er von Immobilien mehr als die rechtmäßig­en Eigentümer. Sind die Okupas erst einmal einige Tage im Haus, kann die Polizei die Besetzer nur nach einer erfolgreic­hen Räumungskl­age auf die Straße setzen – und das Gerichtsve­r- fahren dauert quälend lange. Je nach örtlicher Gesetzesla­ge läuft die Frist, in der die Polizei wegen Hausfriede­nsbruch sofort einschreit­en kann, nach 48 oder 72 Stunden ab.

Nach dieser Frist genießen die Besetzer als „Bewohner“einen gewissen Rechtsschu­tz durch Spaniens Verfassung, die allen Menschen „eine würdige und angemessen­e Unterkunft“garantiert. Diese Garantie, die auch für Okupas gilt, führt sogar dazu, dass im Prinzip die Hauseigent­ümer nach einer Besetzung ihre Immobilie nicht betreten und das Recht eigentlich nicht in die eigene Hand nehmen dürfen.

Es sei denn, sie machen es genauso wie die Okupas – und das war der Plan von Frank Zingelmann. Er drang in seine eigene Villa ein, verbarrika­dierte sich drei Tage und erklärte sich selbst zum „Besetzer“seines eigenen Hauses. Der Trick funktionie­rte, die Okupas zogen ab.

Als Zingelmann nach dem Sieg seine Villa unter die Lupe nahm, merkte er erst, was die Okupas angerichte­t hatten: Sie hatten sein Traumhaus geplündert und verwüsgen. tet. „Das Anwesen ist völlig verdreckt und sämtliche Gegenständ­e aus den Schränken wurden bis auf die letzte Socke gestohlen oder sind zerstört worden. Darüber hinaus wurden sämtliche Innen- und Außentüren beschädigt und im ganzen Haus liegt Hundekot.“Nach erster Bestandsau­fnahme kommt Zingelmann zu dem Schluss: „Das Haus muss vollständi­g saniert werden.“

Nach Schätzunge­n des privaten spanischen Forschungs­instituts Cerdà sind derzeit knapp 90 000 Häuser und Wohnungen in Spanien besetzt. Besonders viele Fälle werden aus den spanischen Großstädte­n gemeldet. Aber auch auf Mallorca, auf den Kanarische­n Inseln und an der Festlandkü­ste werden Hausbesetz­ungen zu einem wachsenden Problem, das auch ausländisc­he Ferienhaus­besitzer betrifft. Der Leiter des Instituts Cerdà, Carlos Cabrera, glaubt, dass diese Entwicklun­g mit Spaniens sozialen Gefälle zu tun hat, das sich vor allem in drei Faktoren spiegelt: „Wachstum der Armut, Mangel an Sozialwohn­ungen und ein großer Bestand an leerem Wohnraum.“

 ?? Foto: imago ?? Ferienhäus­er wie dieses werden in Spanien in letzter Zeit immer wieder von Hausbesetz­ern übernommen. Die Besitzer haben dann ein Problem.
Foto: imago Ferienhäus­er wie dieses werden in Spanien in letzter Zeit immer wieder von Hausbesetz­ern übernommen. Die Besitzer haben dann ein Problem.

Newspapers in German

Newspapers from Germany