Wenn Kinder Eltern enttäuschen
Eltern lernen früh mit Misserfolg umzugehen. Nicht mit dem eigenen, sondern, aus ihrer Sicht viel schlimmer, mit dem der Sprösslinge. Das hat mit Vergleichen zu tun. Damit, dass Jakob mehr kann als Julian. Eltern würden es nie zugeben, aber sie und ihre Kinder stehen im ständigen Wettstreit. Niederlagen, die ihre Nachkommen einstecken, sind Niederlagen, die sie selbst hinnehmen müssen. Mamas und Papas fassen es als persönliche Beleidigung auf, wenn die Einjährige aus der Nachbarschaft einen 100-Meter-Sprint hinlegt, während das 14 Monate alte Töchterchen sich nicht daran stört, auf allen Vieren zu krabbeln.
Im Verlauf des Erwachsenwerdens treten elterliche Enttäuschungen in abgeänderter Form auf. Manchmal begründen sie sich allein in unterschiedlichen Zukunftsvorstellungen. Etwa wenn der Vater für seinen Sohn eine Karriere als Astrophysiker im Sinn hat, dieser aber lieber eine Sportgaststätte in den Stauden führt.
Mit der Berufswahl seines Nachwuchses dürfte Jos Verstappen hingegen einverstanden sein. Womöglich erfüllt sie ihn gar mit väterlichem Stolz. Schließlich hat Sohn Max bereits als 18-Jähriger einen Job gefunden, der ihn finanziell von seinen Eltern unabhängig macht. Noch dazu einen, dem Papa Verstappen einst selbst mit Eifer und Freude nachging. Wie Jos dreht ebenso Max Verstappen, inzwischen ist er 20 Jahre alt, Runden in einem Formel1-Auto. Für Max beinhaltet dies nicht nur Vorteile, schließlich kennt sich Papa im Motorsportmetier aus. Weiß vieles. Mitunter glaubt er auch, es besser zu wissen.
Seit Max am Wochenende eine Überhol-Attacke gegen FerrariPilot Sebastian Vettel missglückte, hängt der Haussegen in der Familie Verstappen schief. Gegenüber dem niederländischen Fernsehen äußerte sich ein deprimierter Jos Verstappen. „Ich bin enttäuscht“, gestand der 46-Jährige. Max müsse einfach mehr nachdenken. Ein Vater-Sohn-Gespräch wollte er deshalb führen.
Womöglich wird Max reagieren wie eine Dreijährige, die versehentlich ein Trinkglas zerdeppert hat. Wird sich entschuldigen. Wird erzählen, dass es ihm leidtue. Und dass er es nicht mit Absicht getan habe. Vielleicht wird Max aber auch ganz anders reagieren und vergleichen: seine WM-Bilanz mit der des Vaters. Max startete 63 Mal und hat drei Rennen gewonnen; Jos startete 107 Mal und blieb stets sieglos.
Manchmal enttäuschen Eltern auch ihre Kinder.