Maibaum: „Ein Restrisiko bleibt“
Das schreckliche Unglück in Wettelsheim bringt auch die Verantwortlichen in der Region zum Nachdenken
Landkreis Die Feiern unter den Maibäumen in der Region waren in vollem Gange, als eine Nachricht aus dem angrenzenden Mittelfranken für Entsetzen sorgte: Am Montag brach im Treuchtlinger Stadtteil Wettelsheim die Spitze des aufgestellten Fichtenstamms ab, stürzte in die Tiefe und erschlug eine 29-Jährige. Josef Barta erstarrte nach eigenen Angaben, als er dies hörte. Der Wemdinger Kulturreferent kümmerte sich in diesem Jahr mit der Faschingsgesellschaft Wemdosia um den Maibaum am Marktplatz – und hatte sich im Vorfeld Gedanken gemacht, wie dies sicher vonstatten gehen könnte. Denn vor einem Jahr gab es in Wemding einen Vorfall, der nach der Tragödie in Wettelsheim in einem ganz neuen Licht zu sehen ist.
Auch in Wemding war Ende April 2017 der Fichtenstamm gerade platziert worden, als er sich ungewöhnlich neigte. Sogleich stiegen zwei Feuerwehrleute in den Korb der Drehleiter und schauten genauer nach. Die Männer entdeckten, dass der Stamm einen Riss hatte. Umgehend wurde die Drehleiter eingefahren. Wenige Augenblicke später brach die Fichte unterhalb des Wipfels ab. Der war zuvor aufgesetzt worden, nachdem die ursprüngliche Spitze beim Fällen des Baums beschädigt worden war.
Der abgebrochene Wipfel fiel direkt neben dem Feuerwehrauto auf den Boden. Die Menschen im Umfeld hatten sich glücklicherweise entfernt. Der Schreck war groß – und es gab – auch im Stadtrat – Diskussionen, wie 2018 mit dem Maibaum verfahren wird. Barta und die Führungskräfte der Wemdosia entschieden sich für einen Stamm ohne Wipfel. Dafür gab es Spott („Zahnstocher“) und Kritik. Im Nachhinein sieht sich der Kulturreferent in seinem Vorgehen bestätigt – und appelliert an die Einsicht, der Sicherheit oberste Priorität einzuräumen.
Kreisbrandrat Rudolf Mieling kennt das Problem mit den Maibaumwipfeln. In den vergangenen Jahren knickten Windböen oder gar Stürme im Donau-Ries-Kreis immer wieder Stämme, gerade auch 2017. Mieling rät, „im Zweifelsfall den gesunden Menschenverstand walten zu lassen“, wenn man sich in der Nähe eines Maibaums aufhält. Sprich: Wenn Wind aufkommt, sollte man Abstand halten. Denn: „Ein Restrisiko bleibt.“
Beim Fällen können an einem Stamm Schäden entstehen, zum Beispiel Haarrisse: „Die sieht man nicht.“So könne ein Stamm an einer Stelle weit oben brechen – was unüblich sei. Eine Fichte breche normalerweise am ehesten auf einer Höhe von etwa einem Drittel über dem Boden: „Dort ist die größte Belastung.“Aber auch aus anderen Gründen könne die Spitze abbrechen. Manchmal werde auf den Stamm bewusst ein neuer, etwas größerer Wipfel aufgesetzt, damit der Maibaum prächtiger wirke. Davon rät Mieling jedoch ab: „Der Wind hat mehr Angriffsfläche.“Dann stimmten auch die Proportionen nicht mehr.
Das Aufstellen an sich bereite selten Schwierigkeiten, so der Kreisbrandrat: „Die Tradition und das Wissen werden von Generation zu Generation weitergegeben.“In den meisten Fällen seien Vereine im Auftrag der jeweiligen Kommune damit betraut. Dies sei unabdingbar, denn nur so sei die Aktion über die Bayerische Versicherungskammer und die Kommunale Unfallversicherung Bayern abgedeckt. Deren Unfallverhütungsvorschriften seien zu beachten. Genaue Vorgaben, wie zum Beispiel ein neuer Wipfel mit dem Stamm „verkuppelt“wird, gebe es nicht: „Es muss eine sichere Verbindung sein.“Üblich seien Manschetten aus Metall oder Rohrin-Rohr-Systeme in Kombination mit Verbindungsplatten, die festgeschraubt werden. Diesbezüglich lernte auch die Feuerwehr in Mertingen dazu, wie deren Kommandant Volker Großmann einräumt. Gleich zweimal – 2014 und 2017 – rissen Windböen die Spitze an der Fichte im Ort ab. Beim ersten Mal fiel der Wipfel noch zu Boden, beim zweiten Mal hatte die Wehr vorgesorgt: Ein mit montiertes Seil verhinderte den Absturz. Diese Maßnahme wird inzwischen auch andernorts durchgeführt.
Das Unglück in Wettelsheim habe die Mitglieder der Mertinger Feuerwehr ins Grübeln gebracht, berichtet Großmann. Josef Barta glaubt sogar, „dass vielleicht viele jetzt umdenken“. Der Wemdinger Maibaum werde auch nächstes Jahr keinen Wipfel haben. Kreisbrandrat Mieling kann sich vorstellen, dass nach dem Unfall in Franken die Auflagen für Maibäume bayernweit verschärft werden.
Derweil ist die Ursache für die Tragödie in Wettelsheim noch unklar. Die Kripo stellte den Stamm sicher. Ein Sachverständiger soll ihn ihn Augenschein nehmen. Das Opfer aus Treuchtlingen hinterlässt einen Ehemann und drei Kinder.