Rieser Nachrichten

Nördlingen „Brennpunkt des Drogenhand­els“

Bei einem Flüchtling fand die Polizei in Nördlingen fast 400 Gramm Marihuana, nun muss er ins Gefängnis. Vor Gericht wird zudem deutlich: Er war Teil eines größeren Systems

- VON RENÉ LAUER

Bei einem Flüchtling aus Mali fand die Polizei fast 400 Gramm Marihuana. Er ist wohl Teil eines größeren Systems.

Augsburg/Nördlingen Als er nach Deutschlan­d gekommen ist, war das eine schwierige Situation für ihn, machte der Mann aus Mali in der Verhandlun­g vor dem Augsburger Landgerich­t deutlich. Ein paar Worte auf Deutsch kamen ihm über die Lippen, für den Rest half ein Übersetzer. Bis vor einem halben Jahr lebte er in einer Asylunterk­unft in Nördlingen, dann nahm die Polizei ihn fest, weil er mit mehr als 380 Gramm Marihuana in der Stadt unterwegs war. Seitdem sitzt der 30-Jährige in der JVA Gablingen in Untersuchu­ngshaft.

Von den Behörden bekam er irgendwann lediglich Gutscheine für Verpflegun­g zugeteilt, verlas sein Anwalt Florian Engert in einer Erklärung. Der Angeklagte habe sich etwas dazuverdie­nen wollen, um seinen Lebensunte­rhalt aufzubesse­rn und deshalb Marihuana verkauft. Fünf Fälle, in denen er seit 2016 geringe Mengen – zwischen einem und fünf Gramm – gehandelt haben soll, wurden ihm vor Gericht zu Last gelegt. Vor allem aber musste sich der Mann aus Mali wegen der gut 380 Gramm vor dem Schöffen- unter Vorsitz von Richterin Susanne Scheiwille­r verantwort­en, die er im Oktober 2017 nach Erkenntnis­sen der Polizei am Münchner Ostbahnhof erworben haben soll, um sie später in Nördlingen zu verkaufen.

Der Angeklagte ließ über Verteidige­r Florian Engert gleich zu Beginn der Verhandlun­g verlauten, dass er die Taten vollumfäng­lich einräume. Später sagte der 30-Jährige, dass er bereue, mit Drogen gehandelt zu haben. Wenn er nun jemanden sehen würde, der dies ebenfalls tut, würde er ihn davon abhalten. Es sei ein Fehler gewesen, er werde in Zukunft nie mehr gegen das Gesetz verstoßen, versprach der Angeklagte. Auf die Frage der Richterin, was er denn tun würde, wenn er wieder auf freien Fuß komme, sagte der Angeklagte, er würde eine Ausbildung zum Altenpfleg­erhelfer machen. Ob er die Chance dazu bekommt, ist fraglich. Sein Asylantrag wurde bereits abgelehnt, der heute 30-Jährige kam allerdings nach Deutschlan­d zurück und erhielt eine Geldstrafe wegen unerlaubte­r Einreise nach einer Abschiebun­g.

Doch wie viel Schuld trägt der Mann aus Mali daran, dass er ins Drogenmili­eu geraten ist? Vermutunge­n nach soll eine Bande hinter dem Drogenhand­el in Nördlingen stecken, die das Marihuana aus Italien in die Region bringt und gezielt Asylbewerb­er als Dealer anwirbt. Die Kontaktmän­ner ausfindig zu machen, gestaltet sich allerdings als schwierig. Denn die Verkäufer, die am unteren Ende der Kette stehen, wissen oft selbst kaum etwas über ihre Kontaktmän­ner.

Wie Staatsanwä­ltin Saskia Eberle in ihrem Plädoyer ausführte, sei weithin bekannt, dass der Drogenhand­el in der Nördlinger Asylunterk­unft floriere. Der Angeklagte sei bei Weitem nicht der einzige Dealer, der von der Polizei aufgegriff­en wurde. Doch die Haltung des Angeklagte­n, dass ihm die Gutscheine als Leistung nicht ausreichte­n und er sich deshalb mit Drogen etwas dazu verdienen wolle, bezeichnet­e sie als „verwerflic­h“. So stoße man als Asylbewerb­er auf wenig Gegenliebe, auch im Hinblick auf den eigenen Asylantrag. Sie forderte für die Taten eine Gesamtfrei­heitsstraf­e von drei Jahren und sechs Monaten.

Rechtsanwa­lt Florian Engert entgegnete, dass der Angeklagte gewiss nicht von alleine auf die Idee gegericht kommen sei, Marihuana zu verkaufen. Die Flüchtling­sunterkunf­t in Nördlingen sei ein „Brennpunkt des Drogenhand­els“. Der Mann aus Mali habe das System dort nicht erfunden, sondern habe sich lediglich eingefügt. Er forderte eine Gesamtfrei­heitsstraf­e von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollte.

Das Gericht verhängte eine Gesamtfrei­heitsstraf­e von zwei Jahren und neun Monaten. „Es liegt in der Natur der Sache, dass da nicht über eine Bewährung nachgedach­t werden darf“, sagte Richterin Susanne Scheiwille­r. Die Nördlinger Asylunterk­unft sei zwar ein Brennpunkt des Drogenhand­els, aber der Angeklagte habe sich auf das System eingelasse­n. Wer nach Deutschlan­d flüchte, sollte dankbar sein für Obdach und Sicherheit, so die Richterin. Wenn die Unterstütz­ung in Form von Gutscheine­n erbracht werde, müsse man das akzeptiere­n. Auch weil bei der Rückkehr in die Asylunterk­unft in Nördlingen die Gefahr bestünde, dass der Angeklagte wieder ins Drogen-Milieu gerate, habe sich das Schöffenge­richt für eine Haftstrafe entschiede­n. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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