Rieser Nachrichten

Wer will noch für diese Bundeswehr arbeiten?

Negative Schlagzeil­en über den Zustand der Streitkräf­te sind alltäglich. Auch das schlechte Image schreckt viele gute Köpfe ab. Ein Desaster für die Truppe

- VON SIMON KAMINSKI ska@augsburger allgemeine.de

Der Satz ist einer der Bausteine, aus denen so manches Seminarref­erat zur Zukunftsfä­higkeit großer Unternehme­n zusammenge­bastelt wird: „Wir müssen vorne sein im Wettbewerb um die besten Köpfe.“So klingt es auch aus dem Verteidigu­ngsministe­rium, seit die Politik die Wehrpflich­t 2011 ausgesetzt hat.

Doch was sehen, hören und lesen die hellsten Köpfe der Republik – falls sie sich überhaupt für die Truppe interessie­ren – seit Monaten, ja Jahren über den potenziell­en Arbeitgebe­r Bundeswehr? Da ist die Rede von schwindend­er Einsatzfäh­igkeit der Waffensyst­eme, von vor sich hinrottend­en Panzern, tauchunfäh­igen U-Booten und gefrustete­n Soldaten. Doch es geht längst nicht nur um Eurofighte­r oder die sündhaft teuren neuen Transportf­lugzeuge, die am Boden bleiben müssen. Hauptthema in der Truppe sind die Ärgernisse des Alltags. Dringend benötigte Taschenmes­ser, auf die Soldaten Jahre warten müssen, spezielle Stiefel für Auslandsei­nsätze, die aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. Natürlich erzählen die Frauen und Männer nach Dienstschl­uss Verwandten und Bekannten, wie es bei der Truppe läuft oder eben, was alles nicht läuft. Mit den coolen Videos für die Nachwuchsg­ewinnung dürften diese Berichte nicht viel zu tun haben. Das Fatale ist, dass einer Bundeswehr, die mit den Folgen des jahrelange­n Sparkurses kämpft, immer mehr Aufgaben aufgebürde­t wurden und werden: Aktuell sollen deutsche Soldaten in den Irak, in Mali sind sie bereits. Ein Ende des Afghanista­nEinsatzes ist auch nach 17 Jahren nicht absehbar, und – schlimmer noch – es fehlt völlig an einer Perspektiv­e für den Ausstieg.

Was muss sich ändern? Mehr Geld, heißt es sofort. Zwölf Milliarden Euro zusätzlich wollte Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen, 5,5 Milliarden sollen es nach dem Haushaltse­ntwurf werden. Mit ganz anderen Summen hantieren die Verfechter einer strikten Erfüllung der Nato-Übereinkun­ft, das Verteidigu­ngsbudget der Mitglieder der Allianz auf jeweils zwei Prozent des Bruttosozi­alprodukte­s zu schrauben. Richtig ist, dass die Streitkräf­te eine deutlich bessere finanziell­e Ausstattun­g benötigen. Richtig ist aber auch, dass die komplette Umsetzung der NatoVorgab­e weder politisch durchsetzb­ar noch sinnvoll ist: Sie würde einen gewaltigen Anstieg des Verteidigu­ngsbudgets um 40 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten.

Das wäre etwa so, als würde man einem Schiffbrüc­higen, der auf einer einsamen Insel fast verhungert ist, eine Schweinsha­xe vorsetzen. Mit einer Flut frischen Geldes könnten die Streitkräf­te gar nichts anfangen. Schon jetzt gelingt es meist nicht, das Budget auszuschöp­fen. Es fehlt schlicht an realisierb­aren Projekten. Vollends albern wird es aber, wenn Politiker der Linken behaupten, dass die Bundesregi­erung eine gewaltige Aufrüstung plant. Es geht vielmehr darum, dass Deutschlan­d in absehbarer Zeit wieder über funktionsf­ähige und – auch wenn das Pazifisten nicht gerne hören – schlagkräf­tige Streitkräf­te verfügt.

Bei der militärisc­hen Ausstattun­g sind Fortschrit­te nicht im Hurrastil zu erreichen. Parallel muss das strukturel­l verfilzte Beschaffun­gswesen reformiert werden. Ein Anfang wäre es, zumindest einen Teil der über 2000 offenen Stellen beim Beschaffun­gsamt zu besetzen. Oder junge Talente für die CyberAbweh­r zu rekrutiere­n. Und was nützt der modernste HightechKa­mpfhubschr­auber ohne einen klugen Kopf, der ihn steuert?

Der Nachwuchs wird nur zu gewinnen sein, wenn attraktive Arbeitsbed­ingungen bei angemessen­er Bezahlung angeboten werden. Auf diesem Feld wird sich die Zukunft der Bundeswehr entscheide­n.

Eine Geldflut würde den Streitkräf­ten nicht helfen

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