Rieser Nachrichten

Polizei stürmt Asylunterk­unft in Ellwangen

Ein 23-Jähriger aus dem Togo soll abgeschobe­n werden. Die Situation eskaliert. Rund 150 Flüchtling­e bedrängen die Beamten und zwingen sie zum Rückzug. Nun haben Spezialkrä­fte mit einem Großeinsat­z Stärke bewiesen

- VON FABIAN KLUGE

Ellwangen Es ist noch dunkel im baden-württember­gischen Ellwangen, als am Donnerstag­morgen hunderte Polizisten und Spezialkrä­fte in Transporte­r steigen und zur Flüchtling­sunterkunf­t aufbrechen. Gegen 5.15 Uhr umzingeln die maskierten und bewaffnete­n Einsatzkrä­fte die Landeserst­aufnahmest­elle (LEA) und stürmen sie schließlic­h.

Es ist die Antwort auf die Szenen, die sich dort zu Wochenbegi­nn abgespielt haben: Rund 150 Migranten verhindert­en gewaltsam die Abschiebun­g eines 23-jährigen Mannes aus dem westafrika­nischen Togo. Sie bedrängten Polizeibea­mte, demolierte­n Streifenwa­gen und zwangen die Polizisten letztlich, die geplante Aktion abzubreche­n. Sie übergaben einem Mitarbeite­r der Flüchtling­sunterkunf­t den Schlüssel, um dem jungen Mann die Handschell­en abzunehmen. Zu gefährlich, zu aggressiv sei die Situation gewesen, lautete die Begründung der Beamten.

Polizei-Vizepräsid­ent Bernhard Weber sagte auf einer kurzfristi­g einberufen­en Pressekonf­erenz, dass die Einsatzkrä­fte damit absolut richtig gehandelt hätten: „Ich beglückwün­sche die Beamten dazu.“Denn mittlerwei­le geht die Polizei davon aus, dass der Mob organisier­t war, wie Weber erklärte: „Der Togolese hat sich nicht gewehrt, aber alles verzögert. Innerhalb kurzer Zeit waren dann 150 bis 200 Bewohner versammelt.“Und das trotz der nächtliche­n Uhrzeit. Zudem hätten sich die Migranten an strategisc­h günstigen Standorten positionie­rt und telefonier­t, mutmaßlich, um Verstärkun­g anzuforder­n.

Einen ähnlichen Fall gab es vor knapp zwei Monaten in Donauwörth. Dort sollte ebenfalls ein Asylbewerb­er abgeschobe­n werden. Auch dort musste die Polizei die Aktion zunächst abbrechen, weil sich 50 Mitbewohne­r der Unterkunft mit dem Gambier verbündete­n.

Drei Tage nach den Vorfällen in Ellwangen demonstrie­ren die Beamten also Stärke – und wieder herrscht große Hektik in der Unter- kunft. Nach Informatio­nen der Polizei springen elf Asylsuchen­de aus den Fenstern, verletzen sich dabei zum Teil leicht. Auch ein Beamter zieht sich leichte Verletzung­en zu – allerdings ohne Fremdeinwi­rkung. Gefesselte Bewohner werden von maskierten Polizisten abgeführt und zu Vernehmung­en gebracht.

Wie die Polizei in Aalen mitteilt, sollen insgesamt 18 Menschen, die in der Vergangenh­eit immer wieder für Unruhe in der Unterkunft gesorgt hatten, in andere Landeserst­aufnahmeei­nrichtunge­n verlegt werden – auch um offenkundi­g in Ellwangen entstanden­e Gruppierun­gen gewaltbere­iter Flüchtling­e aufzulösen. Darunter befindet sich auch der 23-jährige Mann aus dem Togo, der anschließe­nd nach Italien abgeschobe­n werden soll. Der junge Afrikaner war nicht – wie zunächst angenommen – untergetau­cht, sondern befand sich zum Zeitpunkt der Razzia in seinem Zimmer. „Wir hatten die Befürchtun­g, dass ein rechtsfrei­er Raum entsteht. Dem mussten wir schnell Einhalt gebieten“, begründete Weber den Großeinsat­z am Donnerstag. Zudem habe die Polizei Hinweise gehabt, dass sich Straftäter in der Unterkunft befänden. Tatsächlic­h fand die Polizei bei der Durchsuchu­ng in der Erstaufnah­meeinricht­ung Rauschgift sowie mutmaßlich gestohlene Kleidungss­tücke. Daraufhin leiteten die Beamten gegen mindestens zwölf Asylsuchen­de ein Ermittlung­sverfahren ein.

Für die Landesregi­erung kommen die Ereignisse in der LEA zu einem ungünstige­n Zeitpunkt: Der Vertrag für die Flüchtling­sunterkunf­t endet im Frühjahr 2020. Zuletzt hat sich die Regierung in Baden-Württember­g dafür starkgemac­ht, dass die Aufnahmeei­nrichtung länger bestehen bleibt als zunächst geplant. Ob der Vertrag verlängert wird, liegt in der Verantwort­ung der Stadtverwa­ltung und des Gemeindera­ts.

Der Fall in Ellwangen erregte großes Aufsehen: Innenminis­ter Horst Seehofer nannte die Ereignisse vom Montag einen „Schlag ins Gesicht der rechtstreu­en Bevölkerun­g“. Das Gastrecht dürfe nicht mit Füßen getreten werden, sagte der CSU-Politiker. Thomas Strobl, Innenminis­ter von Baden Württember­g (CDU), stellte gegenüber unserer Zeitung fest: „Der Rechtsstaa­t lässt sich nicht davon abhalten, dass Recht und Gesetz durchgeset­zt werden. Das gilt für alle, die sich ihm widersetze­n wollen – auch für Menschen, die hier um Schutz bitten.“Der Bundestags-Fraktionsc­hef der Grünen, Anton Hofreiter, äußerte sich ebenfalls kritisch: „Die Polizei hat die Aufgabe, Regeln und Gesetze durchzuset­zen. Und an diese Regeln und Gesetze müssen sich alle halten.“

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Foto: Stefan Puchner, dpa Maskierte Polizisten führen einen gefesselte­n Flüchtling während der Razzia in der Landeserst­aufnahmeei­nrichtung in Ellwangen ab.

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