Polizei stürmt Asylunterkunft in Ellwangen
Ein 23-Jähriger aus dem Togo soll abgeschoben werden. Die Situation eskaliert. Rund 150 Flüchtlinge bedrängen die Beamten und zwingen sie zum Rückzug. Nun haben Spezialkräfte mit einem Großeinsatz Stärke bewiesen
Ellwangen Es ist noch dunkel im baden-württembergischen Ellwangen, als am Donnerstagmorgen hunderte Polizisten und Spezialkräfte in Transporter steigen und zur Flüchtlingsunterkunft aufbrechen. Gegen 5.15 Uhr umzingeln die maskierten und bewaffneten Einsatzkräfte die Landeserstaufnahmestelle (LEA) und stürmen sie schließlich.
Es ist die Antwort auf die Szenen, die sich dort zu Wochenbeginn abgespielt haben: Rund 150 Migranten verhinderten gewaltsam die Abschiebung eines 23-jährigen Mannes aus dem westafrikanischen Togo. Sie bedrängten Polizeibeamte, demolierten Streifenwagen und zwangen die Polizisten letztlich, die geplante Aktion abzubrechen. Sie übergaben einem Mitarbeiter der Flüchtlingsunterkunft den Schlüssel, um dem jungen Mann die Handschellen abzunehmen. Zu gefährlich, zu aggressiv sei die Situation gewesen, lautete die Begründung der Beamten.
Polizei-Vizepräsident Bernhard Weber sagte auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz, dass die Einsatzkräfte damit absolut richtig gehandelt hätten: „Ich beglückwünsche die Beamten dazu.“Denn mittlerweile geht die Polizei davon aus, dass der Mob organisiert war, wie Weber erklärte: „Der Togolese hat sich nicht gewehrt, aber alles verzögert. Innerhalb kurzer Zeit waren dann 150 bis 200 Bewohner versammelt.“Und das trotz der nächtlichen Uhrzeit. Zudem hätten sich die Migranten an strategisch günstigen Standorten positioniert und telefoniert, mutmaßlich, um Verstärkung anzufordern.
Einen ähnlichen Fall gab es vor knapp zwei Monaten in Donauwörth. Dort sollte ebenfalls ein Asylbewerber abgeschoben werden. Auch dort musste die Polizei die Aktion zunächst abbrechen, weil sich 50 Mitbewohner der Unterkunft mit dem Gambier verbündeten.
Drei Tage nach den Vorfällen in Ellwangen demonstrieren die Beamten also Stärke – und wieder herrscht große Hektik in der Unter- kunft. Nach Informationen der Polizei springen elf Asylsuchende aus den Fenstern, verletzen sich dabei zum Teil leicht. Auch ein Beamter zieht sich leichte Verletzungen zu – allerdings ohne Fremdeinwirkung. Gefesselte Bewohner werden von maskierten Polizisten abgeführt und zu Vernehmungen gebracht.
Wie die Polizei in Aalen mitteilt, sollen insgesamt 18 Menschen, die in der Vergangenheit immer wieder für Unruhe in der Unterkunft gesorgt hatten, in andere Landeserstaufnahmeeinrichtungen verlegt werden – auch um offenkundig in Ellwangen entstandene Gruppierungen gewaltbereiter Flüchtlinge aufzulösen. Darunter befindet sich auch der 23-jährige Mann aus dem Togo, der anschließend nach Italien abgeschoben werden soll. Der junge Afrikaner war nicht – wie zunächst angenommen – untergetaucht, sondern befand sich zum Zeitpunkt der Razzia in seinem Zimmer. „Wir hatten die Befürchtung, dass ein rechtsfreier Raum entsteht. Dem mussten wir schnell Einhalt gebieten“, begründete Weber den Großeinsatz am Donnerstag. Zudem habe die Polizei Hinweise gehabt, dass sich Straftäter in der Unterkunft befänden. Tatsächlich fand die Polizei bei der Durchsuchung in der Erstaufnahmeeinrichtung Rauschgift sowie mutmaßlich gestohlene Kleidungsstücke. Daraufhin leiteten die Beamten gegen mindestens zwölf Asylsuchende ein Ermittlungsverfahren ein.
Für die Landesregierung kommen die Ereignisse in der LEA zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Der Vertrag für die Flüchtlingsunterkunft endet im Frühjahr 2020. Zuletzt hat sich die Regierung in Baden-Württemberg dafür starkgemacht, dass die Aufnahmeeinrichtung länger bestehen bleibt als zunächst geplant. Ob der Vertrag verlängert wird, liegt in der Verantwortung der Stadtverwaltung und des Gemeinderats.
Der Fall in Ellwangen erregte großes Aufsehen: Innenminister Horst Seehofer nannte die Ereignisse vom Montag einen „Schlag ins Gesicht der rechtstreuen Bevölkerung“. Das Gastrecht dürfe nicht mit Füßen getreten werden, sagte der CSU-Politiker. Thomas Strobl, Innenminister von Baden Württemberg (CDU), stellte gegenüber unserer Zeitung fest: „Der Rechtsstaat lässt sich nicht davon abhalten, dass Recht und Gesetz durchgesetzt werden. Das gilt für alle, die sich ihm widersetzen wollen – auch für Menschen, die hier um Schutz bitten.“Der Bundestags-Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, äußerte sich ebenfalls kritisch: „Die Polizei hat die Aufgabe, Regeln und Gesetze durchzusetzen. Und an diese Regeln und Gesetze müssen sich alle halten.“