Rieser Nachrichten

Studenten klagen gegen „Gefährderg­esetz“

Was darf Bayerns Polizei, wenn Gefahr droht? Vertreter dreier Universitä­ten haben dazu eine klare Meinung

- VON HENRY STERN

München Diese Verfassung­sklage dürfte in ihrer Form in Bayern einmalig sein: Am Donnerstag reichten gleich drei Jura-Professore­n der Universitä­ten in Würzburg, Erlangen und München und rund 20 ihrer Studenten beim Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­of eine gemeinsame Popularkla­ge gegen das im vergangene­n Sommer in Kraft getretene sogenannte „Gefährderg­esetz“ein. Ende März hatten bereits die Grünen gegen das Gesetz Klage eingereich­t.

Diese bayerische Neuregelun­g sieht unter anderem die Möglichkei­t einer alle drei Monate durch einen Richter überprüfte­n Präventivh­aft sowie die Überwachun­g durch Fußfesseln oder der Verhängung von Aufenthalt­sbeschränk­ungen für sogenannte Gefährder vor.

Das Paket war vergangene­n Sommer mit den Stimmen der CSUMehrhei­t im Landtag beschlosse­n worden und ist im Zusammenha­ng mit der derzeit hitzig geführten Debatte um eine weitere, tief greifende Änderung des Polizeiauf­gabengeset­zes in Bayern zu sehen. Beide Änderungen werden vom bayerische­n Innenminis­terium mit der Notwendigk­eit einer Erhöhung der Sicherheit durch polizeilic­he Eingriffsr­echte bereits bei einer „drohenden Gefahr“begründet. „Diese Maßnahmen der Sicherheit gehen aber über Gebühr auf Kosten der individuel­len Freiheit“, kritisiert­e die Würzburger Jura-Professori­n Isabel Feichtner vor der Abgabe der Klageschri­ft.

So schränke etwa der unbestimmt­e Begriff der „drohenden Gefahr“ das Recht auf allgemeine Handlungsf­reiheit ein – zumal er nicht nur auf potenziell­e Terroriste­n, sondern grundsätzl­ich auf alle Bürger angewendet werden könne. Daran ändere auch nichts, dass das Bundesverf­assungsger­icht diesen Begriff in seinem Urteil zum BKA-Gesetz selbst eingeführt habe: „Das bayerische Gesetz geht sehr weit über diese Vorgaben hinaus“, kritisiert Feichtner.

Wenig praktikabe­l sei zudem der Richtervor­behalt bei der zuvor auf nur 14 Tage beschränkt­en Präventivh­aft: „Richter müssen hier auf Monate voraus eine reine Prognoseen­tscheidung treffen“, warnt die Juristin. Die Furcht, dabei einen Fehler zu begehen, könne deshalb zu einer dauerhafte­n Inhaftieru­ng ohne jegliche begangene Straftat führen. Dies aber sei mit den Vorgaben der Verfassung nicht vereinbar.

Bereits vor einem Jahr hatten praktizier­ende Richter und Rechtsanwä­lte bei einer Expertenan­hörung zu dem Gesetz im Landtag ähnliche Bedenken geäußert. Die CSUStaatsr­egierung hielt an ihren Plänen dennoch unveränder­t fest. Die nun eingereich­te Verfassung­sklage ist das Ergebnis eines gemeinsame­n Studentenp­rojektes der drei bayerische­n Universitä­ten. Dabei soll an einem konkreten Fall juristisch­es Fachwissen mit sozialem Engagement verbunden werden. Die beteiligte­n Studenten hatten mithilfe ihrer Dozenten rund ein halbes Jahr an der nun eingereich­ten Klageschri­ft gearbeitet.

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Foto: Hoppe, dpa Wenn Gefahr droht, hat die Polizei viele Befugnisse: Präventivh­aft ist eine da von.

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