Söders EU Spagat
Wie der Ministerpräsident in Brüssel die für die CSU unangenehme Kreuz-Debatte kontern will
Brüssel Wo auch immer Markus Söder derzeit auftaucht, das Kreuz ist schon da. So auch in dem aus bayerischer Sicht fernen Brüssel, wenngleich die EU-Niederlassung des Freistaats ja auch ein stückweit Heimat sein soll. Und Söder wäre nicht Söder, würde er trotz der von ihm verursachten Kontroverse sich nicht auch in der EU-Vertretung neben einem Kreuz fotografieren lassen. Zufällig versteht sich, zumal das Kreuz in den Foyers des schicken Gebäudekomplexes schon seit Jahren allgegenwärtig ist. Auch ohne die sogar teils von Kirchen kritisierte Verordnung des Ministerrates.
Vermutlich hat für Söder die große Zustimmung der Bevölkerung (56 Prozent) in einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks die Entscheidung erleichtert. Anders als in den vergangenen Tagen soll das Kreuz aber in Brüssel nicht im Mittelpunkt von Söders Politik stehen. Im Herzen Europas will der Franke die für die CSU im Wahljahr unangenehme Kreuz-Debatte mit pro-bayerischen Wünschen und selbstbewussten Forderungen kontern.
Wie in den vergangenen Wochen seit seiner Wahl bedient sich Söder dabei emotional aufgeladener Themen, die die konservativen Milieus der Volkspartei befrieden sollen. In der Kurzform klingt Söders Forderungskatalog in etwa wie folgt: Die EU muss ihre Grenzen besser schützen und soll dazu auch auf die in Bayern praktizierte Schleierfahndung zurückgreifen. Deutschland darf die finanziellen Folgen des Brexits nicht alleine schultern, weitere EU-Kompetenzen wie den von Frankreich geforderten EU-Finanzminister oder gar neue Steuern werden abgelehnt. Und das von Deutschland gezahlte Kindergeld an Familien im Ausland muss gesenkt werden. Last but not least lehnt Söder auch EU-Einmischungen in bayerische Angelegenheiten strikt ab. „Es gibt wichtige Aufgaben, die es zu erfüllen gilt, wir wollen nicht nur Nein sagen, sondern mitmischen, soweit wir das können“, sagt Söder am Donnerstag nach dem Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und dem deutschen Kommissar Günther Oettinger (CDU) mit Blick auf die laufende EU-Haushaltsberatung.
Die Brüsseler Behörde hatte zuvor einen Haushaltsrahmen von knapp 1,3 Billionen Euro für die Jahre 2021 bis 2027 vorgestellt. Deutschland soll bis zu zwölf Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich überweisen. Für Söder ein Ansatz, der dringend nachgebessert gehört.
Er sei verwundert darüber, wie schnell einige in Bayern die „komplexe Materie“des Haushalts kurz nach der Veröffentlichung zu beherrschen glaubten, sagt Juncker. „Es dauert zwölf Stunden, um es sich erklären zu lassen.“Oettinger stellt sozusagen als Gegenleistung für die zusätzlich von Deutschland erwarteten Milliarden immerhin einen personell auf bis zu 10 000 Mitarbeiter vergrößerten europäischen Grenzschutz in Aussicht.
Wie wichtig für Söder insbesondere das Thema Asyl und Zuwanderung ist, zeigte sich in der BR-Umfrage. Ein Drittel der Befragten ist mit der Arbeit der CSU-Regierung zufrieden, zwei Drittel äußern sich kritisch. Söder weiß, dass er bis zur Wahl im Herbst bessere Werte braucht. Und dass er auf die Mithilfe von Bund und EU angewiesen ist. Denn weder über die Verteilung der Flüchtlinge in Europa noch über effizientere Abschiebungen wird in München entschieden.