Der Bebop Express auf dem Country Gleis
Der Gitarrist mischt in Kempten Klassiker von Dolly Parton und Hank Williams auf
Kempten Grenzen gibt es für ihn nicht, Berührungsängste hat er keine. Der US-amerikanische Gitarrist John Scofield war stets ein Neugieriger, einer, der die Musik aufsog. In seiner Jugend in Connecticut Rock und Blues, später Jimi Hendrix und vor allem Jazz. Vor zwei Jahren verblüffte Scofield die Fangemeinde mit einem Album, auf dem er sich Country-Klassiker zur Brust nahm. „Country for old men“heißt die Scheibe, mit der er immer noch unterwegs ist und die er nun beim 34. Jazzfrühling in Kempten vorstellte.
Ausgetretene Pfade sind nicht sein Ding. Der Musiker John Scofield streunt gerne herum, sucht als Solist immer auch das Extreme – im vollen Bewusstsein, auch mal abzustürzen. Das schätzte auch Miles Davis an ihm, der ihn Anfang der 80er Jahre in seine Tourband holte und mit ihm Kompositionen erarbeitete. Wer sich durch die zahllosen Soloalben Scofields der letzten 40 Jahre hört, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus – wegen der aparten, virtuosen Versiertheit des Meisters, seiner von feinen Melodiebögen getragenen Kompositionen und der konstanten musikalischen Klasse.
Der Gitarrist schart stets nur die Besten um sich. Zum Jazzfrühling hat der 66-Jährige seinen langjährigen Schlagzeuger und Freund Bill Stewart mitgebracht. Der Mann ist eine sichere Bank, verleiht dem an diesem Abend etwas rauen, lauten ScofieldSound Struktur und Tiefe. Ein souveränes Kontrabass-Fundament liefert Vicente Archer. Geradezu eine Wucht ist Gerald Clayton am Steinway-Flügel und vor allem an der Orgel, die er herrlich zum Heulen, Blubbern und Glucksen bringt. Und der Meister selbst? Gibt relaxt und gut aufgelegt die Richtung vor.
„Jede neue Musik, die gut ist, hat jede Menge altes Zeug in sich“, hat Scofield einmal gesagt (nachzulesen im Booklet seines famosen 2015er Albums „Past Present“). Er mag gute Songs mit schönen Melodien, und dazu gehören auch jede Menge CountrySongs. Dolly Partons „Jolene“beispielsweise oder James Taylors „Bartender’s Blues“. Er nähert sich diesen Stücken mit Liebe und Respekt, aber auch mit der Bestimmtheit eines selbstbewussten Jazzers. Los geht’s mit einer noch brav angejazzten Version von George Jones’ „Mr. Fool“. Doch schon bei Kenny Rogers’ „The Gambler“zeigt Scofield seine große Interpretationskunst. Zu Beginn bringt er die Country-Songs mit Legato und Vibrato zum Swingen, was ihn hin und wieder selbst zum Schmunzeln bringt. Und dann nimmt er Melodie und Rhythmus auseinander, dekonstruiert wild die vertrauten Klassiker. Am härtesten trifft es Hank Williams’ „I’m so lonesome I could cry“, das kaum mehr zu erkennen ist. Ab geht da nicht nur der BebopExpress auf dem Country-Gleis. Nach der Pause fast ohne Halt.
Zum Schluss gibt es dann noch etwas zum Ausschnaufen. Mit einer traumhaft-zarten Version von Shania Twains Country-Pop-Hit „You’re still the one“entlässt John Scofield die staunenden 400 Zuhörer in die Nacht.
Festival Zum Abschluss des Jazzfrüh lings spielt am Samstag, 5. Mai (20 Uhr), im Stadttheater in Kempten das Count Basie Orchestra.