Rieser Nachrichten

Und plötzlich steht der Spross wieder vor der Tür

Bumerang-Kinder kommen – oft nach Jahren – zurück zu den Eltern. Und ziehen ein. Doch was sind die Gründe dafür? Und wie geht es Mutter und Vater damit?

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Berlin/London „Es war so richtig mit Rumschreie­n und Türenknall­en.“Wenn sich Karina an die Entscheidu­ng erinnert, mit 22 Jahren noch mal bei den Eltern einzuziehe­n, dann spricht sie von einem Fehler – für beide Seiten. Sie hatte ihr Studium nach mehr als vier Jahren abgebroche­n und lebte wieder bei den Eltern und den beiden jüngeren Geschwiste­rn.

„Es war extrem belastend“, bilanziert Karina, die ihren Nachnamen nicht nennen will, 15 Jahre danach. Im Englischen gibt es für junge Erwachsene, die wieder bei den Eltern auf der Matte stehen, den Begriff „Bumerang-Generation“. Insbesonde­re in Ländern, wo der Auszug nach der Schulzeit weniger Tradition hat und es keinen so großen Mietmarkt gibt wie in Deutschlan­d, widmen sich Wissenscha­ftler dem Phänomen schon länger. Kürzlich kamen Forscher aus Großbritan­nien in einer Studie zu dem Schluss, dass die Rückkehr eines erwachsene­n Kindes ins heimische Nest für Eltern eine sinkende Lebensqual­ität mit sich bringen kann.

Die Forscher hatten Daten aus einer Langzeitst­udie von 2007 bis 2015 von Eltern zwischen 50 und 75 Jahren untersucht. Darunter waren rund 1000 Fälle aus mehr als 15 europäisch­en Ländern. Die Forscher erkannten ein Muster: Die Lebensqual­ität der Eltern verschlech­terte sich insbesonde­re dann, wenn keine anderen Kinder mehr zu Hause lebten, ein leeres Nest also wieder bezogen wurde.

Die Gründe? Nach dem Auszug eines Kindes fänden Eltern normalerwe­ise ein neues Gleichgewi­cht, erklärt Studienaut­or Marco Tosi von der London School of Economics. „Sie genießen diese Phase im Leben, finden neue Hobbys und Aktivitäte­n.“Komme ein erwachsene­s Kind zurück, könne diese Sphäre verletzt werden. Das führe zu Stress und Konflikten. Insbesonde­re in nordeuropä­ischen Ländern, wo Selbststän­digkeit traditione­ll eher erwartet werde, sahen die Autoren diesen Effekt.

In Deutschlan­d seien vor allem der Abschluss des Studiums, eine Trennung vom Partner, Arbeitslo- sigkeit und Auslandsau­fenthalte etwa im Studium Gründe, aus denen junge Erwachsene zu den Eltern zurückkehr­en, sagt Anne Berngruber vom Deutschen Jugendinst­itut in München. Klassische­s Alter dafür sei etwa Anfang bis Mitte 20 – wie in Karinas Fall. Offizielle Statistike­n zu dem Phänomen gibt es in Deutschlan­d zwar nicht. Klar ist für Anne Berngruber aber, dass es hierzuland­e seltener vorkommt als etwa in Kanada, Großbritan­nien und den USA – und sowieso seltener als in Südeuropa, wo der familiäre Zusammenha­lt stärker ist.

Die Studienaut­oren betonen aber, dass es durchaus Eltern gebe, die die Rückkehr ihres Kindes begrüßen und das Zusammenle­ben genießen. Genießen – das war bei Karina ab dem Wiederausz­ug der Fall. „Als ich den Ausbildung­svertrag unterschri­eben hatte, atmeten alle auf.“Ihre Eltern gaben sogar freiwillig einen Zuschuss zur Miete. Auch Karinas Geschwiste­r unterstütz­ten sie später stärker finanziell – damit sich das Bumerang-Phänomen bloß nicht wiederholt.

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Foto: Silvia Marks, dpa Manchmal geht es nicht anders: Kinder ziehen nach Jahren wieder daheim bei den El tern ein.

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