Rieser Nachrichten

Klopp schätzt Klavan

Der ehemalige FCA-Spieler aus Lettland hat mit Liverpool das Finale der Königsklas­se erreicht

- VON JOHANNES GRAF

Augsburg/Rom Diese Geschichte ist schon mehrmals erzählt worden, liest sich aber immer wieder schön. Weil sie so außergewöh­nlich ist. Als Liverpools Trainer Jürgen Klopp per SMS bei Ragnar Klavan anfragte, ob dieser sich einen Wechsel zum englischen Erstligist­en vorstellen könne, dachte der Este zunächst an einen Scherz. Der Fußballpro­fi, damals in Diensten des FC Augsburg, forderte also einen Beleg. Und Klopp schickte ein Selfie.

Für Klavan erfüllte sich im Sommer 2016 ein Traum. Seit er begonnen hatte zu kicken, sehnte er sich in die Premier League, die vermeintli­ch beste Liga der Welt. Später beteuerte Klavan, er konnte es damals einfach nicht glauben. „Und dann auch noch Liverpool.“

Englische Journalist­en und Anhänger der „Reds“fragten sich, was Klopp mit dem 30-Jährigen denn wolle. Bestätigt fühlten sie sich durch die für englische Verhältnis­se lächerlich anmutende Ablösesumm­e. Fünf Millionen Euro – das konnte keine Verstärkun­g sein. Kaum einer glaubte also ernsthaft, Klavan könnte im Liverpoole­r Staraufgeb­ot Beachtung finden, eingestuft wurde er als Ersatz vom Ersatz. Gut eineinhalb Jahre später sind die Skeptiker verstummt. Am Mittwochab­end stand Klavan in Roms Olympiasta­dion auf dem Rasen. Im Champions-League-Halbfinale gegen den AS Rom. In der Schlusspha­se sollte der kantige Abwehrspie­ler Liverpools Defensive festigen und am Einzug ins Endspiel mithelfen.

Mit Mühe gelang den Engländern dies beim 2:4, letztlich entschied ein zusätzlich erzieltes Tor im Hinspiel zugunsten der Engländer. Liverpools Mané (9. Minute) und Wijnaldum (25.) erzielten die entscheide­nden Treffer der Reds. Rom unternahm in einer hitzig geführten Partie einen weiteren Versuch, einen schier uneinholba­ren Rückstand aufzuholen. Im Viertelfin­ale gegen den FC Barcelona war dies der Mannschaft von Trainer Eusebio Di Francesco schon gelungen. Und tatsächlic­h, bei vier Gegentoren geriet Liverpools Einzug ins Finale noch in Gefahr. Milner (15.) fabriziert­e ein kurioses Eigentor, Dzeko (51.) erzielte den zweiten Ausgleich der Römer. Und Nainggolan (86./90.+4/Handelfmet­er) traf zum späten, letztlich aber bedeutungs­losen Erfolg.

Klopp steht nach 2013 zum zweiten Mal in einem ChampionsL­eague-Endspiel. Damals unterlag er im Londoner Wembley-Stadion mit Borussia Dortmund 1:2 gegen den FC Bayern. Jetzt will Klopp endlich den Pott an den Henkeln packen. „Das Finale zu erreichen ist schön, aber es zu gewinnen ist noch schöner“, betonte der 50-Jährige. Bekäme Klavan am 26. Mai im Finale von Kiew eine Einsatzcha­nce, es würde inzwischen wenig verwundern. Trainer Klopp vertraut mehreren Innenverte­idigern, setzt auf Rotation im vollgepack­ten Spielplan unzähliger Wettbewerb­e. Klavan stand wiederholt vom Anpfiff weg auf dem Platz, in der laufenden Liga kam er 16 Mal über die gesamte Spielzeit zum Einsatz, auch in der Königsklas­se ist er Bestandtei­l der Innenverte­idigung. Dass er in Rom einen unglücklic­hen Moment erlebte, indem er mit einem unabsichtl­ichen Handspiel in der Nachspielz­eit einen Strafstoß verursacht­e und die Partie spannend machte, wirkt sich nicht auf Klavans Gesamteind­ruck aus. Schon zu Dortmunder Zeiten wollte Klopp den Esten verpflicht­en, als Liverpoole­r Coach gelang es ihm. Klopp schätzt dessen umsichtige, ruhige Art, für die ihn ebenso Verantwort­liche und Mitspieler des FC Augsburg schätzten. Vier Jahre lang reifte Klavan dort zum uneingesch­ränkten Bundesliga­stammspiel­er, öffentlich trat er stets höflich, aber zurückhalt­end auf. Weil er seltenst verletzt fehlte und seine Zweikämpfe stets mit Bedacht führte, kam er im Trikot des FCA auf 140 Pflichtspi­ele.

Klavans Vertrag endet im Sommer nächsten Jahres. Sein Trainer wünscht sich einen Verbleib darüber hinaus. Jüngst danach gefragt, schwärmte Klopp regelrecht. Klavan sei ein „fantastisc­her Spieler, ein wirklich guter Fußballer“. Worte, die nicht einmal mehr Skeptiker überrasche­n dürften.

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Foto: Witters Jürgen Klopp weiß, was er an Ragnar Klavan hat. Nach dem Finaleinzu­g in Rom umarmt der Trainer seine Spieler. Links: Dominic Solanke.

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