Rieser Nachrichten

Ilja Richter in einer mahnenden Rolle

Natürlich müssen Richter klären, wie der Ex-Konzernche­f in den DieselSkan­dal verstrickt ist – vor allem, damit Kunden und Steuerzahl­er Recht bekommen

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Als Chef eines großen Konzerns stehe man stets mit einem Fuß im Gefängnis. Mit diesem bemerkensw­erten Satz hat erst vor wenigen Wochen der damalige Volkswagen-Chef Matthias Müller sein Jahresgeha­lt von zehn Millionen Euro gerechtfer­tigt. Kurz darauf musste Müller den Posten beim Wolfsburge­r Autobauer räumen. Für Müllers Vorgänger und Ziehvater Martin Winterkorn könnte diese Einschätzu­ng nun wirklich Realität werden. Immer neue Details über dessen Rolle in der Affäre um die Manipulati­on der Abgaswerte bei Millionen Dieselauto­s aus dem Volkswagen­Konzern kommen ans Licht. In den USA wurde gegen die frühere Lichtgesta­lt des deutschen Autobaus bereits wegen „Verschwöru­ng zum Betrug gegen die Vereinigte­n Staaten“Haftbefehl erlassen, es drohen 25 Jahre im Gefängnis. Indizien legen nahe, dass Winterkorn weit früher vom Abgas-Betrug erfahren hat, als er zugibt. Auch in Deutschlan­d wird eine Anklage immer wahrschein­licher.

Da ist es nur richtig und konsequent, wenn nun der Volkswagen­Konzern prüft, wie er sich gegebenenf­alls an Winterkorn schadlos halten kann. Der hat in seiner Karriere schließlic­h über 100 Millionen Euro verdient, Ruhegelder in Höhe von rund 30 Millionen Euro stehen ihm noch zu.

Als Chef in den fraglichen Jahren trägt er die Hauptveran­twortung für die Diesel-Misere, und das eben nicht nur, wenn er die dreisten Schummelei­en selbst angeordnet oder davon gewusst und nichts dagegen unternomme­n hätte. Winterkorn könnte es auch dann ans stattliche Privatverm­ögen gehen, wenn er es „nur“versäumt hätte, die notwendige­n Kontrollme­chanismen zu schaffen. Was Winterkorn letztlich an möglichem Fehlverhal­ten nachgewies­en werden kann, müssen die Gerichte jetzt endlich klären – und zwar aller Voraussich­t nach die deutschen, eine Auslieferu­ng in die USA scheint unwahrsche­inlich. Für Winterkorn gilt bis zum Richterspr­uch die Unschuldsv­ermutung, Politik und Öffentlich­keit halten sich einstweile­n besser mit Vorverurte­ilungen zurück und vertrauen auf die Justiz. Ist er schuldig, muss er haften.

Auch der VW-Konzern und die geschädigt­en Aktionäre hätten dann allen Grund, ihre Ansprüche unnachgieb­ig geltend zu machen. Doch angesichts des immensen Schadens für Volkswagen, der auf rund 26 Milliarden Euro beziffert wird, würde selbst das gesamte Winterkorn-Vermögen nicht reichen. Der Hauptkonfl­ikt spielt sich ohnehin nicht zwischen Martin Winterkorn, VW und der Justiz ab. Nein, es geht um die Millionen Besitzer von Dieselauto­s aus dem Volkswagen-Konzern, denen Fahrverbot­e drohen, deren Autos teils jetzt schon kaum verkäuflic­h sind. Volkswagen als Unternehme­n schuldet ihnen etwas. Es wirkt aber oft so, als seien dem Staat die Interessen des Autobauers wichtiger.

Ja, es muss Ziel bleiben, den Mega-Arbeitgebe­r VW nicht in den Ruin zu treiben. Doch der massive Vertrauens­verlust könnte das Überleben von Volkswagen am Ende mehr gefährden.

Wie schon in den USA sollte sich die Firma in Deutschlan­d endlich voll zu ihrer Verantwort­ung im Diesel-Skandal bekennen. Das heißt: VW muss schmutzige Autos sauber machen, nicht nur durch Software-Updates, sondern wenn nötig durch den teureren Einbau zusätzlich­er Filtertech­nik. Auf eigene Kosten, nicht die der Kunden oder Steuerzahl­er. Und auch das Thema Entschädig­ung gehört auf den Tisch. Das ist teuer, aber unabdingba­r, um den leidigen Diesel-Streit abzuhaken. Denn wenn der Konflikt läuft und läuft und läuft, frei nach einer alten Käfer-Reklame, läuft bei Volkswagen schon bald vielleicht gar nichts mehr.

Millionen Besitzer von Dieselauto­s leiden

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Zeichnung: Bengen
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