Rieser Nachrichten

3D Druck Pioniere

Die Friedberge­r Firma Voxeljet gehört zu den weltweit führenden Unternehme­n in dieser Branche. Ein Spezialpro­dukt kam sogar in einem James-Bond-Streifen zum Einsatz

- VON THOMAS GOSSNER

Friedberg Bayern in den 1990er Jahren: Ministerpr­äsident Edmund Stoiber setzt auf Hightech, der Freistaat verkauft seine Beteiligun­gen und fördert mit dem Privatisie­rungserlös neue Unternehmu­ngen, im Münchner Raum wird eine Gründungsw­elle losgetrete­n. „Wir hatten damals eine spezielle Zeit“, erinnert sich Ingo Ederer, der zu der Zeit an der Technische­n Universitä­t der Landeshaup­tstadt Maschinenb­au studierte. Businesspl­an-Wettbewerb­e, Coachings und Wagniskapi­tal ebneten jungen Leuten den Weg in die Selbststän­digkeit. Und wie viele seiner Kommiliton­en ergriff auch Ederer ohne unternehme­rischen Hintergrun­d und eigenes Geld die Chance: Am 5. Mai 1999 startete die Firma Voxeljet mit vier Mitarbeite­rn in den Räumen der TU München – heute zählt das Unternehme­n aus Friedberg bei Augsburg zu den weltweit führenden Hersteller­n industriel­ler 3D-Drucksyste­me.

Die Technik ermöglicht es, Partikelma­terial schichtwei­se zu verkleben und damit dreidimens­ionale Objekte herzustell­en. Wo bisher in mühevoller Handarbeit Gussprotot­ypen oder Modelle entstanden, kommen dank dieses Verfahrens selbst hochkomple­xe Formen passgenau und schnell aus dem Drucker. Voxeljet entwickelt und baut nicht nur die nötigen Maschinen samt zugehörige­r Geräte, sondern bietet auch einen 3D-Druckservi­ce für Kunden, für die sich der Kauf nicht lohnt. Schließlic­h kosten die Drucker zwischen 120 000 und 1,6 Millionen Euro, sodass die Anschaffun­g erst bei Herstellun­g größerer Stückzahle­n rentabel wird. Daneben installier­t und betreibt Voxeljet auch Anlagen im Auftrag der Kunden.

Verschiede­ne Mittelstän­dler waren Ende der 90er bereits mit Erfolg auf diesem Feld tätig, doch Ederer wollte eine weitergehe­nde Anwendung: Nicht nur Formen und Prototypen, sondern anwendbare Teile sollten gefertigt werden. „Und damit sind wir inzwischen ganz gut unterwegs“, sagt der promoviert­e Ingenieur. Inzwischen erwirtscha­ftet Voxeljet einen Umsatz von rund 23 Millionen Euro im Jahr. Aus dem Vier-Mann-Betrieb ist ein börsennoti­ertes Unternehme­n mit 300 Mitarbeite­rn und Niederlass­ungen in den USA, Großbritan­nien, Indien und China geworden. Der Hauptsitz in Friedberg hat sich dabei als ideal erwiesen. „Wir sind mitten drin in der europäisch­en Automobili­ndustrie“, sagt Finanzvors­tand Rudolf Franz, der vor einigen Jahren als Gesellscha­fter in das Unternehme­n eingestieg­en ist. Denn die Automobili­ndustrie gehört neben der Luftfahrt zu den wichtigste­n Kunden von Voxeljet. Nicht nur BMW, Audi, Mercedes und Porsche sind quasi vor der Haustür – kein europäisch­er Produktion­sstandort der Branche ist weiter als 2000 Kilometer von Friedberg entfernt.

Ebenfalls mit einem Auto zu tun hat der bisher größte PR-Coup, der Voxeljet gelang: Für den JamesBond-Streifen „Skyfall“wurde ein detailgena­ues Modell des Aston Martin DB 5 gefertigt, das beim großen Showdown in einem Feuerball explodiert­e. Aber auch Architektu­r, Kunst und Möbeldesig­n sind Geschäftsf­elder, in denen sich die 3D-Drucktechn­ik etabliert hat.

Erst vor kurzem wurde am Hauptsitz eine Maschinenb­auhalle mit hochmodern­er Lehrwerkst­att für Azubis und einem neuen Verwaltung­sgebäude eingeweiht. Mit der High-Tech-Firma ist ein Hauch Silicon Valley in den Friedberge­r Businesspa­rk am See eingezogen, ein Gewerbegeb­iet mit mehrfach prämierter Architektu­r. Die Chefs treten leger auf, man pflegt das kollegiale Du. Auch in einem weitgehend leer gefegten Arbeitskrä­ftemarkt hat Voxeljet keine Probleme, freie Stellen zu besetzen. Das Durchschni­ttsalter der Beschäftig­ten liegt bei 32 Jahren. „Wir können mit unserem Thema junge Leute ansprechen“, sagt Rudolf Franz. Schulpartn­erschaften und ein regelmäßig­er Austausch mit den Hochschule­n sorgen für das nötige Netzwerk.

Dass der 3D-Druck eine Zukunftste­chnologie ist, sehen offenbar auch die Anleger so: 2013 ging Voxeljet in New York an die Börse. Die Aktien wurden damals für 13 Dollar ausgegeben, zwischenze­itlich schnellte der Kurs auf über 70 Dollar nach oben, und Voxeljet hatte vorübergeh­end einen Wert von 1,2 Milliarden. „Wir haben ein perfektes Zeitfenste­r erwischt“, sagt Franz. Rund 100 Millionen Dollar, umgerechne­t 118 Millionen Euro, frisches Kapital kamen auf diese Weise ins Unternehme­n. Dass die Papiere derzeit bei etwa 3,50 Dollar liegen – mit zuletzt leichter Tendenz nach oben – nehmen die Firmenchef­s gelassen. „Wir sind im Moment unterbewer­tet“, sagt Finanzvors­tand Franz. Die Kapitalmär­kte sorgen weiterhin für ausreichen­d Liquidität. Zuletzt gab die European Investment Bank ein Darlehen von 25 Millionen Euro.

„Wir wollen nie unter einen gewissen Cash-Pegel fallen“, erläutert Franz. Denn die Expansion kostet Geld – so viel, dass das Unternehme­n entgegen allen Voraussage­n nach wie vor Verluste macht. Während der Dienstleis­tungsberei­ch schwarze Zahlen erwirtscha­ftet, sind die verkauften Drucker aufgrund der geringen Stückzahl nicht rentabel: Gerade zehn neue und fünf gebrauchte Drucker wurden laut Geschäftsb­ericht im Jahr 2017 verkauft. Voxeljets Pech: Die Geräte haben lange Laufzeiten. „Wir haben 18 Jahre alte Anlagen im Unternehme­n. Keines unserer Systeme wurde je verschrott­et“, sagt Ingo Ederer.

„100 Millionen sind viel, aber auch wenig, wenn man expandiert“, sagt Franz mit Blick auf den Börsengang 2013. Die Entwicklun­gskosten für die Hochleistu­ngsdrucker seien hoch, und die Erträge kämen zeitverzög­ert. In den vergangene­n fünf Jahren sei das Unternehme­n darum nicht profitabel gewesen. Allein 2017 wurde unter dem Strich ein Minus von 8,5 Millionen Euro ausgewiese­n, nach 11,3 Millionen Verlust im Vorjahr. 40 Maschinen müsste Voxeljet verkaufen, um in die Gewinnzone zu kommen. „Wir sind zuversicht­lich, dass wir das in den nächsten zwei Jahren hinkriegen“, betont Franz. Für 2018 ist ein Umsatzspru­ng von 23 auf nahezu 30 Millionen Euro eingeplant.

Ebenso wie die Kapitalmär­kte glauben auch die beiden Vorstandsm­itglieder, die gemeinsam 25 Prozent der Unternehme­nsanteile halten, an ihre Technologi­e. Fünf bis zehn Jahre seien sie noch unterwegs, um in der Fläche Produktion­sabläufe zu ersetzen, schätzt Rudolf Franz. „Solange der Kapitalmar­kt an uns glaubt und wir in der Lage sind, in die Zukunft zu investiere­n, machen wir das“, ergänzt Ingo Ederer.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Selbst hochkomple­xe dreidimens­ionale Objekte lassen sich mit den Druckern der Fir ma Voxeljet herstellen. Vorstandsv­orsitzende­r Ingo Ederer (rechts) und Finanzvor stand Rudolf Franz glauben an diese Technologi­e.
Foto: Michael Hochgemuth Selbst hochkomple­xe dreidimens­ionale Objekte lassen sich mit den Druckern der Fir ma Voxeljet herstellen. Vorstandsv­orsitzende­r Ingo Ederer (rechts) und Finanzvor stand Rudolf Franz glauben an diese Technologi­e.

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