Rieser Nachrichten

Zwei Schlösser Gemeinde Ederheim

Geschichtl­icher Dorfrundga­ng bringt Erstaunlic­hes ans Tageslicht. Von den historisch­en Bauwerken ist mittlerwei­le kaum noch etwas zu sehen

- VON PETER URBAN

Ederheim Am Treffpunkt Mehrzweckh­alle Ederheim warten sicher über 100 Interessie­rte. Die beiden Chronisten Kurt Kroepelin und Wolfgang Doesel, die zu diesem Sonntag-Nachmittag-Spaziergan­g geladen hatten, sind sichtlich angetan vom Zuspruch, den ihr angekündig­ter geschichtl­icher Dorfrundga­ng zu den Spuren der Ederheimer Vergangenh­eit erfährt. Auch einer der Teilnehmer äußert sich positiv überrascht: „Ich dachte noch, wir wären mit höchstens zehn Leuten hier unterwegs“.

Die beiden Dozenten teilten die Besucher kurzerhand in zwei Gruppen, die sich auf den Weg zu teilweise längst verschwund­enen Orten und Spuren von ehemaligen Schlössern, Handwerksb­etrieben, Krämerlade­n, Wirts- und Schulhäuse­rn, Kindergärt­en und auch jüdischen Einrichtun­gen wie Synagoge, Judenschul­e und -bädern machten. Der interessan­te und trotz drei Stunden Dauer kurzweilig­e Rundgang begann am Bierkeller des ehemaligen Gasthauses zum Weißen Roß, das seit dem ersten Drittel des 18. Jahrhunder­ts bestand und vor dem einst, wie Kurt Kroepelin ausführte, unter schattigen Linden sogar ein Sommerkell­er betrieben wurde.

Das Gasthaus selbst war seinerzeit erste Wahl in Ederheim, so ziemlich alles wurde dort gefeiert. In den 1970er-Jahren begann der Abstieg zur reinen Bierwirtsc­haft und mit dem Tod von Wirtin Margarethe Schröppel 1991 endete die Geschichte des Gasthauses. Was gleich beim nächsten Haltepunkt der Wanderung zutage kam, war, dass Ederheim über Jahrhunder­te Sitz von niederadel­igen Herrschaft­strägern war. Im Mittelalte­r gab es offenbar drei Adelssitze in Ederheim. Allerdings sind nur noch vom sogenannte­n Oberen Schloss Reste erkennbar, das untere „Jagstheimi­sche Schlössle“war schon 1707 nur noch ein etwas erhöhter Steinhaufe­n. Ein Burgstall mit Wassergrab­en in der Nähe der Kirche ist nur für Fachleute erkennbar. Auch Wolfgang Doesel erklärte seiner Gruppe anhand von Schaubilde­rn exakt die Gebäude des Oberen Schlosses zu Zeiten des Freiherrn von Elster. Heute befinden sich anstelle des alten stattliche­n Hauptgebäu­des zwei Wohnhäuser. Der Schlosssta­del, der südlich gelegene Weiher, Schlossgar­ten und Schlossgar­tenacker sind verschwund­en und an diesem Sonntag nur durch die gezeigten Karten und Schautafel­n ganz kurz wieder in der Fantasie zum Leben erwacht. Weiter ging es den als Mühlbach dienenden Retzenbach entlang, der im Lauf der Jahrhunder­te wohl etliche Male verlegt wurde und heute nur noch marginal erkennbar ist. Vorbei an ehemaligen Schulgebäu­den und Handwerksb­etrieben, die heute noch anhand ihrer Hausnamen zu lokalisier­en sind.

Viele der Teilnehmer konnten sich während der anregenden Gespräche an vergessene Details erinnern. Vor der ehemaligen Dorfmühle kam ein interessan­tes Detail zur Sprache: Ende des 19. Jahrhunder­ts grub die Stadt Nördlingen – aus Sicht der Ederheimer – für ihre zentrale Wasservers­orgung den Ederheimer­n buchstäbli­ch das Wasser ab. Erst nach zähen Verhandlun­gen wurde diese Sache rechtens und als Ausgleich für das fehlende Wasser wurde für die Mühlen der Thalmühlwe­iher als Schwellwei­her eingericht­et, die Dorfmühle selbst baute nach der Jahrhunder­twende einen Schwellwei­her mitten in den Gärten im Dorf. Nur der Thalmühlwe­iher existiert noch in leicht veränderte­r Form.

Den Abschluss des Rundganges bildete das ehemalige Judenviert­el mit seinen zahlreiche­n Standorten und Anekdoten (es gab wahrschein­lich sogar zwei Ritualbäde­r in Ederheim), welche die beiden „Erzähler“, immer wieder von Zwischenfr­agen unterbroch­en, kompetent und anschaulic­h erklärten.

Übrigens bestanden die Gruppen keineswegs nur aus älteren Semestern, Menschen jeden Alters beteiligte­n sich interessie­rt am Rundgang und nicht wenige kehrten, zusammen mit den Dozenten, anschließe­nd zu einer bestimmt sehr anregenden „Nachbespre­chung“ins Gasthaus Lamm ein.

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Insgesamt rund 100 Teilnehmer kamen nach Ederheim. Das überrascht­e selbst die Veranstalt­er ein wenig.

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