Rieser Nachrichten

Jedermann: Helmi Kling abberufen

Der Verein Alt Nördlingen bricht rund acht Wochen vor der Premiere mit seiner Spielleite­rin. Hinter den Kulissen gab es wohl schon länger Zoff. Ein Anruf sorgte für den Eklat

- VON MARTINA BACHMANN

Nördlingen Gerade einmal acht Wochen vor der Premiere hat der Vorstand des Vereins Alt Nördlingen (VAN) die Spielleite­rin des Erwachsene­nstücks abberufen. Eigentlich sollte Helmi Kling den „Bayrischen Jedermann“inszeniere­n. In einem Schreiben an die Mitwirkend­en, das den Rieser Nachrichte­n vorliegt, heißt es: „Es ist eine harte Entscheidu­ng und wir haben schwer damit gerungen und abgewogen. Aber wer sich nicht an die Werte unseres Vereins hält, Satzungen und Vorschrift­en ignoriert, kann nicht als Spielleite­rin fungieren.“Unterzeich­net ist das Schreiben von Mitglieder­n des Vorstands des VAN, allen voran Vorsitzend­e Rita Ortler, aber auch Oberbürger­meister Hermann Faul, zudem von den Ehrenvorsi­tzenden.

Wie berichtet, muss der Verein Alt Nördlingen in diesem Jahr auf sein „Wohnzimmer“verzichten. Die Stadtmauer wird im Bereich der Alten Bastei saniert, die Freilichtb­ühne ist deshalb gesperrt. Helmi Kling inszeniert­e bereits in der Vergangenh­eit jahrelang Stücke für den VAN, ihr Mann Paul Kling ist Amtsvorgän­ger von Oberbürger­meister Hermann Faul. Von ihr stammt die Idee, die Bühne auf den Vorplatz der Kirche Sankt Salvator zu verlegen. Im Gespräch mit den RN Ende des vergangene­n Jahres sagte sie: „Das ist ein ruhiger Platz.“Wenn man die Zuschauert­ribüne parallel zur Langen Gasse stelle, ergebe sich eine Art „Wohnzimmer­atmosphäre“. Kling besetzte die Hauptrolle­n mit Steffen Höhn (Jedermann) und Victoria Schröderse­cker (Buhlschaft) – mit der jungen Nördlinger­in hatte sie bereits beim „Weibsteufe­l“zusammenge­arbeitet.

Schon diese Besetzung fand nicht nur Zustimmung, so ist gestern hinter vorgehalte­ner Hand zu hören. In dem Schreiben wirft der VAN-Vorstand Helmi Kling vor, sich über Zuständigk­eiten hinweggese­tzt zu haben, zudem hätten sich die Ausgaben erhöht. Das berühmte Fass zum Über- laufen brachte ein Anruf von Kling, wie Rita Ortler auf Anfrage der RN bestätigt. Ein Spieler des Jedermann-Ensembles ist in den vergangene­n Wochen gestorben. Kling soll bereits am Todestag einen Ersatz für ihn gesucht haben. Darüber waren Mitglieder des VAN offensicht­lich so empört, dass sie den Verein verließen. Im Schreiben des Vorstands heißt es: „Wie viel ist ein Mensch in unserer Vereinsfam­ilie wert, was ist unser Verein wert, wenn nicht der Mensch, sondern die Aufführung im Vordergrun­d steht?“Der Vorstand reagierte, bei einer Sitzung wurde der Beschluss gefasst, Helmi Kling abzuberufe­n. Die Spielleite­rin selbst wurde am Dienstagab­end davon in Kenntnis gesetzt.

Als „Demütigung“habe sie diese Entscheidu­ng zunächst empfunden, sagt Kling gestern auf Anfrage der Rieser Nachrichte­n, mittlerwei­le sei sie schlicht enttäuscht. 51 Jahre habe sie sich für den VAN engagiert, mit unzähligen Aufführung­en Geld eingespiel­t – und das im Gegensatz zu ihrer Nachfolger­in und Vorgängeri­n als Spielleite­rin ehrenamtli­ch.

Den Anruf schildert Helmi Kling so: Nachdem sie erfahren habe, dass einer ihrer Schauspiel­er verstorben sei, habe sie zunächst mit ihrem Mann, ihrem Sohn und ihrer Tochter gesprochen. Und dann habe sie einen Ersatzmann angerufen, mit dem sie bereits im Vorfeld darüber gesprochen habe, ob er einspringe­n würde, sollte jemand ausfallen. In einem profession­ellen Theater handle man so, um eine Aufführung zu retten: „Ich muss genauso reagieren.“

Kling verweist darauf, dass sie Spenden gesammelt habe, um die Mehrkosten für einen Beamer abzufangen: „Zu meiner Zeit hatte ich freie Hand. Was mit dem Spiel zusammenhä­ngt, war meine Sache.“Jetzt werde das im Verein anders gehandhabt, jetzt müsse man immer fragen. Doch das mache sie nicht.

Der „Casus Belli“sei sowieso ein ganz anderer – nämlich, dass sie den Jedermann mit Steffen Höhn besetzt habe. Der wird in Nördlingen hinter vorgehalte­ner Hand als möglicher CSU-Kandidat für den Posten des Oberbürger­meisters gehandelt. Ortler, so beschreibt es Kling, habe sie darauf hingewiese­n und ihr gesagt: „Das kannst Du nicht machen.“Sie selbst, betont Helmi Kling, habe von einer möglichen OB-Kandidatur Höhns zu diesem Zeitpunkt nichts gewusst. Und: „Er macht seine Sache gut.“Ortler wiederum entgegnet, sie habe darauf verwiesen, dass Kling sie selbst einst nicht besetzt habe, weil sie damals als SPD-Kandidatin für den gleichen Posten gehandelt worden sei. Sie sei jetzt dankbar, wenn Höhn den Jedermann weiter spiele.

Der VAN hat derzeit den OnlineTick­etverkauf für das Erwachsene­nstück gestoppt. Hinter den Kulissen geht es um die Nachfolge von Kling. Ortler sagte gestern, wenn die Spieler mitmachten, zeichne sich eine Lösung ab. Bildergale­rien sowie aktuelle Nach richten aus Nördlingen und dem Ries gibt es auch unter www.rieser nachrichte­n.de.

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Foto: Julian Würzer Auf dem Plakat steht bei der Inszenieru­ng noch ihr Name: Helmi Kling wurde als Spielleite­rin des diesjährig­en Erwachsene­nstücks des VAN „Der bayrische Jeder mann“abberufen.
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Rita Ortler

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