Rieser Nachrichten

Wird der Thermomix zum Auslaufmod­ell?

Die Umsätze gehen erstmals zurück. Ein teurer Teebrüher soll das wieder ändern

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Stefanie Holtz ist nach wie vor begeistert vom Thermomix. Vor zwei Wochen noch stand die Frau aus dem Sauerland in ihrer Küche, kippte Teig aus der Küchenmasc­hine in eine Tortenform und lächelte in die Kamera. „Das macht so Spaß“, rief sie und wandte sich wieder ihrem Kuchen zu. Holtz ist ein Youtube-Star. Unter dem Namen „Thermifee“stellt sie Kochvideos ins Internet, Tausende schauen ihr dabei zu, wie sie mit ihrem Thermomix Semmeln, Eis oder eben Kuchen herstellt. Ihr beliebtest­es Video – eine Rezeptanle­itung für „traumhafte­s Erdbeer-Softeis“– haben bisher fast eine Million Menschen angesehen.

Das mag auf Außenstehe­nde befremdlic­h wirken, in der Thermomix-Welt jedoch ist es Alltag. Um das Küchengerä­t des Wuppertale­r Traditions­hersteller­s ist in den vergangene­n Jahren ein regelrecht­er Hype entstanden, befördert durch Verkaufspa­rtys, immer neues Zubehör und nicht zuletzt die Thermomix-Community, die im Internet mit Begeisteru­ng Rezepte tauscht. Die Umsätze mit dem Küchengerä­t, das für den stolzen Preis von fast 1200 Euro ganz alleine rührt, mixt, zerkleiner­t oder mahlt, kannten bisher nur eine Richtung: nach oben.

Umso erstaunlic­her wirkten die Meldungen der vergangene­n Tage: Die Küchenmasc­hine verkaufte sich 2017 deutlich schleppend­er als bisher. Weltweit ging der ThermomixU­msatz zuletzt um zwölf Prozent zurück, in Deutschlan­d sogar um 22 Prozent. Wie kann das sein? Ist der Thermomix etwa ein Auslaufmod­ell? So weit will Jon Christoph Berndt nicht gehen. Aber der Markenentw­ickler der Münchner Beratungsf­irma Brandamazi­ng spricht von einer gewissen Sättigung auf dem deutschen Markt. „Diejenigen“, sagt er, „die das Geld für ein solches Gerät ausgeben wollen, haben jetzt alle einen Thermomix.“Und so schnell bräuchten sie auch keinen neuen, denn die Küchenmasc­hinen seien „robust wie ein Mercedes“. Florian Kraus glaubt allerdings nicht, dass „die Ära des Thermomix“vorbei ist. „Vorwerk hatte zuletzt zwei absolute Rekordjahr­e“, betont der Marketing-Professor der Universitä­t Mannheim. Das jetzige Ergebnis sei deshalb „weder überrasche­nd noch besorgnise­rregend“.

Er geht davon aus, dass Vorwerk sich noch mehr auf das lukrative Geschäft mit Küchenzube­hör konzentrie­ren wird. Kraus nennt die Kochbücher, Rezepte oder MaschinenA­ufsätze das „Ökosystem, das rund um den Thermomix entstanden ist“. Damit lassen sich nach seiner Einschätzu­ng hohe, verlässlic­he Margen erzielen. „Vorwerk“, betont Kraus, „sichert sich so langfristi­g ab.“Auch gegen Konkurrent­en, die zwar günstige Nachahmer-Maschinen auf den Markt werfen, aber keinen derart treuen Kundenstam­m wie das Vorwerk-Gerät haben.

Ohnehin setzt der Mischkonze­rn nicht nur auf den Thermomix. Der Staubsauge­r Kobold ist für immerhin ein Drittel des Vorwerk-Umsatzes verantwort­lich. Aber auch der Sauger wurde zuletzt deutlich weniger verkauft. Die Erlöse sanken 2017 um rund sechs Prozent. Nun versucht das Unternehme­n, mit anderen Produkten neue Kunden zu finden. Mit einer aufwendige­n Marketing-Aktion wurde in der vergangene­n Woche der Temial vorgestell­t: eine Teebrüh-Maschine nach dem Nespresso-Prinzip.

Im Internet kam das neue Produkt zunächst nicht gut an. Der Grund: Das Gerät kostet stolze 599 Euro. Das ist zwar immer noch halb so viel wie ein Thermomix – nach Ansicht vieler Internetnu­tzer aber eindeutig zu viel für eine Maschine, die Tee brüht. Marken-Fachmann Berndt ist ebenfalls skeptisch. Zwar attestiert er dem Unternehme­n, mit dem Gerät eine „noch recht markenfrei­e Zone“zu besetzen. „Außerhalb von England ist Tee aber ein Nischenthe­ma.“

Der Discounter Lidl nutzt derweil die Neuvorstel­lung, um selbst Aufmerksam­keit zu erzielen. Auf Twitter postete der Konzern ein Bild des Vorwerk-Geräts und daneben ein Foto des eigenen Teekochers für nur 14,99 Euro. Dazu spottet der Discounter: „TemiWAS? Also ganz ehrlich, so ein Gerät braucht nicht mal die Queen.“

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Foto: dpa Die Alleskönne­r Küchenmasc­hine: Der Thermomix rührt, mixt oder mahlt alles, was ihm zu nahe kommt.

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