Als exotische Tiere im Ries lebten
Wie sah es in der Region aus, bevor ein Himmelskörper den Krater schuf? Und wie danach? In einer neuen Serie gehen wir diesen Fragen nach
Nördlingen Das heutige Nördlinger Ries trennt den Schwäbischen vom Fränkischen Jura. Es unterscheidet sich nach Landschaftsform, Bodenbeschaffenheit, Flora und Fauna, aber auch durch seine Menschen und deren Lebens- und Wirtschaftsweise von den umgebenden, durch Wörnitz und Donau, Kessel oder Härtsfeld, Ellwanger Berge oder Hahnenkamm geprägten Lebensräumen. Denkt man sich die heute ins Auge fallende kesselförmige Geländebesonderheit weg, dann bildet der Schwäbische bzw. Fränkische Jura einen riesigen Geländehaken, der das Schwäbisch-Fränkische Schichtstufenland südlich und östlich umfasst und sich von ihm durch einen schroffen, von der Fränkischen Schweiz bis zum Schwarzwald vorlaufenden Höhenzug, absetzt. In diesem Höhenzug klafft heute zwischen dem Ipf bei Bopfingen und dem 628 Meter hohen Gelben Berg bei Dittenheim eine rund 20 Kilometer breite, kreisförmige Lücke. Sie ist zwar als „Oettinger Forst“landschaftlich hervorgehoben, aber doch grundsätzlich anders als die schroffen Felsgebilde am Rosenstein bei Heubach oder gar im Altmühltal.
Im Wesentlichen ist diese Geländeform so entstanden: Der Zusammenstoß der Afrikanischen mit der Europäischen Kontinentalplatte führt dazu, dass sich im Verlauf von mehr als 100 Millionen Jahren die Alpen auffalteten. Durch erste Abtragungsvorgänge waren die Molassesedimente im Voralpenbereich entstanden. Durch den Fernschub der Alpen waren die älteren Sedimentgesteine verkippt, wodurch der Höhenzug der SchwäbischFränkischen Alb emporgehoben wurde. Es bestanden im Süden also bereits die noch „jungen“Alpen, dann folgten in Richtung Norden die weitläufigen, meist sandigen Ablagerungen der Molasse bis schließlich der Mittelgebirgshöhenzug der Schwäbisch-Fränkischen Alb folgte. Das Alpenvorland war Festland. Das Jurameer war ausgetrocknet. Je nach Entfernung zu den Alpen oder zum Schwäbisch-Fränkischen Höhenzug bedeckten Kiese, Sande oder Feinsedimente den Boden. Die Landschaft war von Flussläufen, Altarmen und kleineren Seen und Tümpeln durchzogen. In den Auswurfprodukten des Rieskraters wurden beispielsweise die Reste ehemaliger Flusssedimente gefunden. Demnach hat es im Gebiet des Rieses bereits vor dem Einschlag eine „Ur-Eger“beziehungsweise eine „Ur-Wörnitz“gegeben. Die Flussschotter der Ur-Eger lassen sich vom Egerursprung bis in das Gebiet von Bopfingen nachweisen, dann verliert sich durch den Einschlag ihre Spur. In den Gewässern gab es Armleuchteralgen, Wasserschnecken und Muscheln, Süßwasserkrebse sowie Fische.
Die Landschaft war dicht bewaldet, an den Ufern gab es Riedgräser und Schilfgürtel, in denen Frösche, Olme, Reptilien wie Weich- beziehungsweise Sumpfschildkröten, ja sogar Krokodile lebten. Die Wälder bestanden aus Weiden, Ahorn, Ulmen, Pappeln, heute exotisch anmutenden Tupelobäumen und Flügelnussbäumen, sowie verschiedenen Zimtbaumgewächsen.
Landschnecken, kleine Säugetiere (Mäuse, Hamster, Igel), Biber, Pfeifhasen, aber auch große Tiere wie Hyotherium (ein Art Hirsch), Wassermoschustiere und Raubtiere wie Marder und Schleichkatzen bevölkerten die Landschaft. In den Trockenwäldern gab es Giftschlangen, Eidechsen, Land- und Riesenschildkröten, Vögel, kurzbeinige Nashörner, Gabel- und Zwerghirsche, Giraffenverwandte und Säbelzahnkatzen. Die Saurier waren längst ausgestorben. Gemessen an heutigen Verhältnissen herrschte ein subtropisches Klima mit hoher Luftfeuchtigkeit sowie geringen jahreszeitlichen Temperaturunterschieden. Menschen lebten in dieser paradiesischen Landschaft nicht.