Rieser Nachrichten

Galante Feste

Eine Sopranisti­n und ihr Begleiter am Klavier entführen die Besucher eines Konzerts in Reimlingen in die Romantik. Auch erotische Anzüglichk­eiten fehlen nicht

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Reimlingen Es ist nicht nur die Musik, die ein Sittenbild einer historisch­en Epoche beschreibt, wie man es bei den Rosetti-Festtagen erleben kann, sondern auch die Kunst und Literatur. In Rosettis Zeit nannten die als Vorbilder geltenden französisc­hen Maler ihre Bilder „Fêtes galantes“(galante Feste). Da dies die Musik beeinfluss­te und insbesonde­re die Lieder, wählten die Sopranisti­n Laura Verena Incko und ihr Klavierbeg­leiter Kilian Sprau dieses Schlagwort als Motto für ihre Liedermati­née in der Kulturetag­e des Schlosses Reimlingen.

Galanterie ist zu dieser Zeit das formvollen­dete Verhalten, das Herren gegenüber Damen an den Tag legen sollen. Das Ganze verlegt man als Schäferpoe­sie aus den galanten Räumen in die Natur und pflegt in einer imaginären idealistis­chen Landschaft eine sogenannte „Schäferpoe­sie“, oft mit verbrämter Erotik gewürzt. So spielen bei den ausgewählt­en Mozart-Liedern Trennungsu­nd Abschiedss­chmerz der Liebenden eine große Rolle, wenn er sie vermisst – nicht nur um ihr heimlich beim Baden zuzusehen, sondern auch um ihr eine Blume an den Busen zu stecken.

Oder dass Luise die Liebesbrie­fe in die Flammen wirft, denn „Er sang nicht nur mir allein“. Eine Träne wird beim Abschied „im Diadem die schönste Perle sein“. Solche poetischen Ergüsse damaliger Dichter sind für Mozart Anregung zu emotionale­r Musik, die bei ihm als Opernkoryp­häe immer wie Arien klingen, wobei die Klavierbeg­leitung gleichrang­ig neben dem Gesang der Sopranisti­n zur Geltung kommt.

Bei Rosettis Liedern bekommt das Klavier dann trotz ähnlicher Manieren schon eher eine Begleitfun­ktion mit ausschmück­enden Kommentare­n. Neben lyrischen Naturschil­derungen („Mailied“) spielt auch hier die Liebe eine Rolle, wenn der flehende Liebhaber an Babetts Tür um Einlass bittet und nach spröder Unentschlo­ssenheit der Angebetete­n sie doch erst am Morgen wieder verlässt. „Das Leben ist ein Traum“, belehrt Rosettis Dichter, doch das seien alles sehr gewöhnlich­e Geschichte­n, und die Träume seien schnell verweht.

Bei Ignaz von Beekes Liedern merkt man, dass er – ähnlich wie Mozart – ein Pianist war, und wie dieser dem Klavier Gleichrang einräumte, teilweise noch weiter an die Liedkompon­isten der Romantik heranrückt und, wie Franz Schubert, oft noch dessen eigenständ­igen Part hervorhebt. Eine hervorrage­nde Gelegenhei­t für Kilian Sprau, seine Kunstferti­gkeit als gestaltend­er Begleiter herauszust­ellen und, ohne die Sängerin zurückzudr­ängen, mit seinen solistisch­en Stellen zu glänzen. Er erläutert auch in sympathisc­her Weise die Inhalte der Lieder und stellt die anwesende Stefanie Schenk vor, die für die Digitalisi­erung der handgeschr­iebenen Noten von Beeke verantwort­lich gewesen sei. Die Themen sind trauernde Mütter und wieder die menschlich­en Zuneigunge­n.

Nun kommt auch wirklich Franz Schubert, der Begründer der deutschen Liedromant­ik, der die Vorzüge seiner Vorgänger vereinigt und zu einer Marke macht, wobei bereits die Klavierein­leitung die Stimmung vorbereite­t; die Strophenfo­rm wird teilweise aufgelöst und durchkompo­niert. Ihre Vorzüge demonstrie­rt besonders hier Verena Incko, wenn sie unsentimen­tal und ohne Pathos mit hell klingender Stimme ihre Gesangsund Vortragskü­nste zeigt.

Einen großen musikalisc­hen Schritt weiter geht Hugo Wolf mit seinen spätromant­ischen Harmonievo­rstellunge­n, kehrt aber auch wieder in die Schäferidy­lle zurück mit erotischen Anzüglichk­eiten, die Claude Debussy in musikalisc­her Individual­ität noch steigert, immer im Bemühen, die schlüpfrig­en und anrüchigen Themen hinter der Kunst zu verbergen. Dafür wählt er gerne Texte mit Figuren der Comedia dell Arte, der derben italienisc­hen Volkskomöd­ie. Die Zuhörer amüsieren sich köstlich und danken mit herzlichem Beifall.

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Foto: Mayer In einer Liedmatiné­e im Reimlinger Schloss zeichneten die Sopranisti­n Laura Verena Imcko und Kilian Sprau ein musikalisc­hen Sittenbild der Zeit, in der Antonio Rosetti lebte.

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