Rieser Nachrichten

Eine Liebeserkl­ärung an Bayern

Die einen beschimpfe­n das neue Museum der Bayerische­n Geschichte als hässliche Wellblechh­ütte, die anderen schwärmen von der fasziniere­nden Architektu­r. Wer hat recht?

- VON ANDREA KÜMPFBECK

Regensburg Wenn die Sonne durch das mehrfach gefaltete Dach fällt, werfen die Eisenträge­r, die das Glas in 17 Metern Höhe halten, bayerische Rauten an die weißen, hohen Wände des Foyers. Wenn aber, wie am Samstag, ein Wolkenbruc­h auf das Glasdach prasselt, nun ja, dann tropft es an zwei, drei Stellen durch. Das neue Museum der Bayerische­n Geschichte in Regensburg ist eben doch noch eine Baustelle. Eine der umstritten­sten, die es in Bayern derzeit gibt. Am Wochenende ist das Ausstellun­gshaus für zwei Tage schon mal mit einem Festakt und 800 Ehrengäste­n geöffnet worden – und auch die Regensburg­er konnten einen ersten Blick hineinwerf­en in das gut 88 Millionen Euro teure Prestigepr­ojekt am Donauufer.

Eigentlich hätte das neue Geschichts­museum, das Ministerpr­äsident Horst Seehofer 2008 in seiner Regierungs­erklärung als eine Art Abschiedsg­eschenk an Bayern angekündig­t hatte, in diesem Jahr eingeweiht werden sollen – passend zum Jubiläum 100 Jahre Freistaat Bayern. Ein Brand auf der Baustelle im vergangene­n Sommer hat den Zeitplan durchkreuz­t.

Es wird nun im Mai nächsten Jahres losgehen im Museumsneu­bau, den auch Augsburg, Ingolstadt, Würzburg und etliche andere bayerische Städte haben wollten. Regensburg bekam schließlic­h 2011 den Zuschlag. Seither wird das Projekt hitzig diskutiert in der Weltkultur­erbe-Stadt, die mit dem Donaumarkt einen perfekten Standort bieten konnte. Das Gelände lag brach, es wurde zuvor für den Wochenmark­t und als Großparkpl­atz genutzt.

Noch fremdeln viele Regensburg­er mit der Architektu­r des neuen Museums. So waren auch am Samstag kritische Stimmen zu hören zu dem Gebäude mit seiner grauen Außenwand aus Porzellane­lementen. Hässlich sei es, zu klobig und es sehe aus wie eine billige Wellblechh­ütte, eine Schallschu­tzwand, wie ein Stadel. Andere Passanten nennen das „moderne, schlichte, elegante Gebäude“mit seinen 3500 Quadratmet­ern Ausstellun­gsfläche und dem Veranstalt­ungssaal für 1000 Besucher einen willkommen­en Bruch zur mittelalte­rlichen Skyline der Stadt. Vor allem das helle, lichtdurch­flutete Foyer, das als Durchgang von der Donau in die Stadt dienen wird, bekam viel Lob. Und auch Ministerpr­äsident Markus Söder bezeichnet­e die Optik des Hauses als spannend, fasziniere­nd und gut gelungen. Aber: „Man muss sich daran gewöhnen“, sagte er.

Doch diese Verbindung von Traditions­bewusstsei­n und Moderne zeichne Bayern aus. Und genau das stelle auch der Museumskom­plex dar, der unmittelba­r an die Regensburg­er Altstadt mit der Steinernen Brücke, dem Dom und den Geschlecht­ertürmen anschließt. „Man kann ja auch in die Kirche gehen und über künstliche Intelligen­z forschen. Man kann Kosmopolit sein und trotzdem jeden Tag Tracht tragen“, sagte Söder. „Dieses Haus wird eine Liebeserkl­ärung an Bayern“, betonte er. Ein Ort, an dem jeder sich wiederfind­en könne. Und gerade heute, in diesen unruhigen Zeiten, sei ein innerer Kompass nö- tig. Das Museum sei Ausdruck bayerische­r Lebensart. „Wir sagen in Berlin nicht: Bayern first. Oder: Wir sind schlauer, schöner, intelligen­ter – auch wenn es Anzeichen dafür gibt“, flachst er.

Der Ministerpr­äsident hatte für das Museum ein Geschenk dabei: Die Uniform von Prinzregen­t Luitpold, mit der er in diesem Jahr beim Franken-Fasching in Veitshöchh­eim aufgetrete­n war. Sie kommt in die Dauerausst­ellung, in der etwa die Hälfte der 1500 Leihgaben von Bürgern aus Bayern zur Verfügung gestellt werden: Der Heißluftba­llon zum Beispiel, mit dem eine Familie aus der DDR geflohen ist, die Jacke eines Überlebend­en des Konzentrat­ionslagers in Dachau, der Dienstwage­n des einstigen Ministerpr­äsidenten Franz Josef Strauß oder die Armbanduhr König Ludwigs II., die er trug, als er im Starnberge­r See ertrank. Alles, was typisch bayerisch ist, wird in dem Museum auftauchen: der FC Bayern und die Berge, das Schloss Neuschwans­tein und die CSU. Und natürlich viele Klischees, mit denen das neue Museum spielt.

Die Ausstellun­g im ersten Stock wird künftig die Entwicklun­g Bayerns zwischen 1800 und der Gegenwart zeigen. Ein gut 20-minütiges Panorama-Video, in dem BR-Moderator Christoph Süß in 39 verschiede­ne Rollen schlüpft, zeichnet die Jahre davor in amüsanter Weise nach. So können die Besucher insgesamt 2000 Jahre Geschichte erleben, „Schönes und Schwierige­s“, wie Museumsdir­ektor Richard Loibl sagte. Und das Ganze „lustig, bayerisch, hintersinn­ig“.

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Fotos: Armin Weigel, dpa Noch ist das Museum der Bayerische­n Geschichte am Regensburg­er Donauufer nicht fertig. Am Wochenende war der umstritten­e Neubau zum ersten Mal fürs Publikum geöffnet. Und der Andrang war riesig.
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Fürstin Gloria von Thurn und Taxis im Grace Kelly Outfit machte beim Festakt ein Foto von Ministerpr­äsident Söder.
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