Rieser Nachrichten

Seehofer und Merkel provoziere­n sich weiter

Asylpoliti­k Die Kanzlerin und ihr Innenminis­ter vertagen zwar den großen Knall in der Union, doch ihr Konflikt bleibt ungelöst

- VON ULI BACHMEIER, MARTIN FERBER UND MICHAEL STIFTER

München/Berlin Der Schlussakt im Unions-Drama verzögert sich um zwei Wochen. Die Kanzlerin und ihr Innenminis­ter haben gestern den großen Knall zwischen CDU und CSU vermieden, die Sache hat allerdings einen Haken: Am Grundkonfl­ikt hat sich rein gar nichts geändert. Horst Seehofer beharrt weiterhin darauf, Flüchtling­e an der Grenze zurückzuwe­isen, die bereits in einem anderen EU-Land Asyl beantragt haben. Und Angela Merkel lehnt weiterhin einen solchen nationalen Alleingang ab. Die Parteivors­itzenden liefern sich am Montag eine Art Fernduell. Auf Pressekonf­erenzen in Berlin und München werden sie getrennt voneinande­r befragt und beharren auf ihren Positionen – mit einer entscheide­nden Veränderun­g: Die CSU gibt der Kanzlerin zwei Wochen Zeit, um im letzten Moment doch noch eine europäisch­e Lösung zu finden. Ob der CDU-Chefin bis zum EU-Gipfel Ende des Monats das gelingt, was ihr seit 2015 nicht gelang, ist mehr als fraglich.

Gelegenhei­t damit anzufangen hatte sie schon wenig später: Der neue italienisc­he Ministerpr­äsident Giuseppe Conte kam zum Antrittsbe­such.Und natürlich sprachen die beiden über die europäisch­e Flüchtling­spolitik. Merkel sicherte Conte zu, Italien bei seinen Problemen mit Flüchtling­en zu unterstütz­en. Conte warb für mehr Solidaritä­t unter den EU-Staaten bei der Verteilung von Flüchtling­en und kritisiert­e gleichzeit­ig das Dublin-System.

Seehofer will die zwei Wochen nutzen, um die Umsetzung seines ebenso umstritten­en wie geheimen Masterplan­s vorzuberei­ten. Und so wird der Streit zwischen den Schwesterp­arteien weiterschw­elen. Denn während Seehofer in München ankündigt, die Zurückweis­ung von Flüchtling­en werde Anfang Juli beginnen, sofern die EU-Staaten sich nicht auf etwas „Wirkungsgl­eiches“einigen, sieht Merkel das in Berlin ein anders. Es gebe keinen „Automatism­us“, betont die Regierungs­chefin und warnt den CSUVorsitz­enden vor eigenmächt­igem Handeln: „Wenn die Maßnahme in Kraft gesetzt würde, dann würde ich sagen, ist das eine Frage der Richtlinie­nkompetenz.“Das heißt: Die Kanzlerin will sich nicht von ihrem Innenminis­ter vorführen lassen. Unterstütz­ung bekommt sie an diesem Tag von CDU-Vize Thomas Strobl. „Für einen nationalen Alleingang mit der Brechstang­e würde man jetzt in bestimmten Ecken und auch aus der falschen antieuropä­ischen Ecke etwas Applaus bekommen – aber der Preis für Europa und vor allem für Deutschlan­d wäre gigantisch

„Solche Alleingäng­e mögen erst mal nach starkem Maxe aussehen, sie schlagen aber viel kaputt und sie schaden.“

CDU Vize Thomas Strobl

hoch“, sagt er unserer Zeitung. „Solche Alleingäng­e mögen erst mal nach starkem Maxe aussehen, sie schlagen aber viel kaputt und sie schaden“, fügt Strobl hinzu.

Seehofer gibt sich unbeeindru­ckt von aller Kritik. CDU und CSU seien im Streit um die Flüchtling­spolitik „noch längst nicht überm Berg“, sagt der Innenminis­ter und stellt klar: „Wir haben diese ganze Thematik Migration noch nicht wirklich im Griff.“Auch deshalb will er, dass die neue bayerische Grenzpoliz­ei in Absprache mit der Bundespoli­zei Grenzkontr­ollen durchführe­n darf.

Im Leitartike­l erklärt Rudi Wais, warum die CSU in Zugzwang gerät. Auf der Dritten Seite erzählen Uli Bachmeier und Martin Ferber vom Fernduell. In der Politik geht es um Europas Asylpoliti­k und auf Bayern um leere Flüchtling­sheime.

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