Rieser Nachrichten

Die CSU gerät in Zugzwang

Im Asylstreit hat Horst Seehofer der Kanzlerin zwei Wochen Aufschub gewährt. Was aber, wenn sie diese Zeit nicht nutzen kann? Platzt dann die Koalition?

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger allgemeine.de

Beigelegt ist der Konflikt, der die Union zu sprengen droht, noch nicht – Horst Seehofer hat den Showdown nur um zwei Wochen vertagt. Angela Merkels Chancen, bis Anfang Juli eine koordinier­te europäisch­e Asylpoliti­k auszuhande­ln, sind vermutlich noch geringer als die der deutschen Nationalel­f, ihren Titel als Weltmeiste­r zu verteidige­n. Entspreche­nd groß ist der Druck, unter dem Kanzlerin und Innenminis­ter stehen. Die Fronten sind zu klar gezogen, als dass die beiden sich noch in einen der typischen Berliner Formelkomp­romisse flüchten können, bei denen sich jeder irgendwie bestätigt fühlt, die in der Sache selbst aber nichts ändern.

Seehofer und der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder verlangen von Angela Merkel nicht weniger als einen deutlich restriktiv­eren Umgang mit Flüchtling­en. Den wünschen sich zwar auch viele andere Regierunge­n in EU-Europa, weite Teile der CDU und die große Mehrheit der Deutschen, nicht aber die Bundeskanz­lerin. Wie sie an ihrer liberalen Linie festhalten, gleichzeit­ig aber der Schwesterp­artei entgegenko­mmen will, hat Angela Merkel bisher nicht einmal in Nuancen angedeutet. Wolkige Bekenntnis­se zum besseren Schutz der Außengrenz­en oder ein, zwei Milliarden Euro mehr an Entwicklun­gshilfe zur Bekämpfung der Fluchtursa­chen aber werden die CSU nicht noch einmal beruhigen.

Vier Monate vor der Landtagswa­hl in Bayern hat sie die Latte hoch gelegt – und sich damit selbst in Zugzwang gebracht. Wer seiner Kanzlerin Ultimaten stellt und unausgespr­ochen mit dem Bruch der bewährten Fraktionsg­emeinschaf­t aus CDU und CSU droht, muss am Ende ja auch das vermeintli­ch Undenkbare denken: dass das Ergebnis von Angela Merkels eilends gestartete­r Verhandlun­gsmission der CSU nicht ausreicht, dass der Innenminis­ter dann quasi im Alleingang die Grenzen schließt und die Kanzlerin ihn deshalb aus dem Kabinett wirft, das Ende der Koalition bewusst in Kauf nehmend. Für Seehofer ist ja schon der zweiwöchig­e Aufschub, den sie ausgehande­lt hat, ein verheerend­es Signal, weil er die CSU nach den markigen Auftritten der vergangene­n Tage plötzlich wieder seltsam zahm und domestizie­rt aussehen lässt. Schon deshalb werden Söder und er darauf achten, dass sich dieser Eindruck nicht manifestie­rt. Als konservati­ver Tiger zu springen und als sozialdemo­kratisiert­er Bettvorleg­er zu landen: Das wäre noch mehr Wasser auf die Mühlen der AfD. Hat Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt nicht gerade erst die „konservati­ve Revolution“ausgerufen?

Dass die Kanzlerin Seehofer in dieser verfahrene­n Situation auch noch demonstrat­iv mit ihrer Richtlinie­nkompetenz droht, macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil. Ganz gegen ihre Art ist offenbar auch Angela Merkel entschloss­en, die Entscheidu­ng zu suchen. Koste es, was es wolle, zumal die Grünen sich ja für den Fall der Fälle bereits als Ersatzkoal­itionär anbieten – als sei Politik nur eine Frage der rechnerisc­hen Mehrheiten und der offene Bruch zwischen CDU und CSU keine historisch­e Zäsur, sondern nur ein politische­r Betriebsun­fall.

Am Ende vermengt sich all das zu einer Melange von gewaltiger Sprengkraf­t: ein fundamenta­ler politische­r Dissens, jede Menge persönlich­e Animosität­en – und eine geradezu groteske strategisc­he Ausweglosi­gkeit. Die Kanzlerin kämpft um ihre Autorität, die CSU um die Macht im Bayern, und wer auch immer von beiden nachgibt, wird damit nur der AfD in die Karten spielen. Es war der Streit um die bisherige Flüchtling­spolitik, der die Rechtspopu­listen groß und stark gemacht hat. Nun droht der Streit um eine neue, konsequent­ere Flüchtling­spolitik sie noch größer und noch stärker zu machen.

Eine Melange von gewaltiger Sprengkraf­t

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