Rieser Nachrichten

Neuer Fluchtpunk­t Spanien

Routen im Mittelmeer verschiebe­n sich

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Die Aufnahme des Rettungssc­hiffes Aquarius, das gerade mit 630 Schiffbrüc­higen im spanischen Hafen Valencia festmachte, scheint eine Sogwirkung zu entfalten. Mehr als 70 weitere Migrantenb­oote mit nahezu 1300 Menschen an Bord wurden am Wochenende vor Spanien aufgefisch­t. Nach weiteren Schiffen, die einen Notruf absetzten, wurde noch gesucht. So eine Ankunftswe­lle innerhalb von 48 Stunden hat Spanien noch nie erlebt.

Schon länger ist sichtbar, dass die Menschensc­hlepper in Nordafrika immer mehr wackelige Boote Richtung Spanien schicken. In Italien geht die Zahl der Ankünfte derweil stark zurück. Eine Tendenz, die bereits vor der spanischen Einladung an die Aquarius erkennbar war. Laut dem UN-Flüchtling­shilfswerk UNHCR kamen seit Jahresbegi­nn bereits rund 14 350 Menschen in Spanien an – per Boot oder in den Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla. Mehr als doppelt so viele wie im selben Zeitraum 2017.

In Italien registrier­ten die UNHCR-Helfer bis zum Stichtag 17. Juni mit annähernd 15500 noch etwas mehr Ankünfte. Aber auch wenn Rom derzeit am lautesten schreit: Die Entwicklun­g geht mit 75 Prozent weniger Zufluchtss­uchenden als im Vorjahr dort steil nach unten. Spanien überholte inzwischen Griechenla­nd mit 12600 Bootsflüch­tlingen.

Die Migrations­wege übers Mittelmeer verschiebe­n sich also – vor allem Richtung Spanien. Dies ist den Hinderniss­en auf der bisherigen zentralen Mittelmeer­route zuzuschrei­ben. Die EU-Kooperatio­n mit Libyen wie auch Italiens immer restriktiv­erer Kurs scheint abschrecke­nde Wirkung zu entfalten. Zuvor war bereits der östliche Mittelmeer­weg nach Griechenla­nd durch ein EU-Abkommen mit der Türkei erschwert worden.

Aus Sicht Brüssels war die bisherige europäisch­e Flüchtling­spolitik durchaus erfolgreic­h. Die Gesamtzahl der Mittelmeer­migranten hat sich nahezu halbiert: Bis Mitte Juni kamen etwa 42000 Menschen an den südeuropäi­schen Küsten an. Die größte Gruppe bilden laut UNHCR-Statistik mit rund 20 Prozent weiterhin die Syrer; gefolgt von Irakern, Tunesiern, Eritreern, Afghanen sowie Menschen aus den westafrika­nischen Armutsländ­ern Guinea, Elfenbeink­üste und Mali.

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