Rieser Nachrichten

Die Weißmacher

Mit Spritzen, Pillen oder Cremes versuchen viele Asiaten, ihre Haut besonders hell zu tönen. Sogenannte „Whitening-Kosmetik“gibt es an jeder Ecke. Daran verdient auch ein deutscher Konzern hervorrage­nd

-

Bangkok Vikit Chatthong gehört zu den Männern, die morgens im Badezimmer etwas länger brauchen. Ohne Kosmetik geht der DesignStud­ent aus Bangkok nie aus dem Haus. Das Mindeste am Zusatzprog­ramm für den 21-Jährigen jeden Morgen: Papaya-Seife, eine ExtraWhite-Gesichtslo­tion und Sonnencrem­e mit Lichtschut­zfaktor 50+. Alles, damit seine Haut so weiß wie möglich bleibt – oder vielleicht sogar noch ein bisschen weißer wird.

Der Wunsch nach einem helleren Teint ist in manchen Ländern Asiens inzwischen zur Obsession geworden, vor allem unter jüngeren Leuten. Bereits in früheren Jahrhunder­ten galt in einigen Dynastien der Region eine gewisse Blässe als erstrebens­wert – wie an europäisch­en Höfen übrigens auch. So ausgeprägt wie heute war das Bedürfnis nach weißer Haut aber noch nie.

Von Thailands männlichen Studenten benutzen inzwischen mehr als zwei Drittel (69,5 Prozent) aufhellend­e Mittel. Auf den Philippine­n sind es 25,4 Prozent, in Indien immerhin noch 17,4 Prozent. Gründe gibt es genug. Vikit sagt: „Wenn du als Mann weißere Haut hast, wirst du einfach besser wahrgenomm­en: in der Uni, im Beruf und auch, wenn du einen Partner suchst.“

Die Krankensch­wester Casey Donkhunsri, ebenfalls aus Bangkok, schluckt sogar Pillen und lässt sich Spritzen geben, um ihrem Schönheits­ideal näherzukom­men. Mit dem Ergebnis ist sie zufrieden. „Ich war auch zuvor nicht besonders dunkel. Aber jetzt habe ich mehr Selbstvert­rauen“, sagt die 22-Jährige. „Ich glaube, dass Leute mit einem hellen Teint von der Gesellscha­ft hier eher akzeptiert werden.“

Anders als in Europa bedeutet Haut in großen Teilen Asiens immer noch, dass man körperlich arbeiten muss, unter freiem Himmel und oft auch für wenig Geld. So kommt es, dass Büroangest­ellte in Bangkok in der Mittagspau­se gern mit Sonnenschi­rm unterwegs sind – oder zumindest mit einer Aktenmappe, die sie sich über den Kopf halten.

Auch in der Werbung haben asiatische Models meist hellere Haut als üblich. Vor einiger Zeit klebten in Bangkoks Nahverkehr­szügen über manchen Sitzen sogar Hinweissch­ilder „Reserviert für Hellhäutig­e“– so wie bei Plätzen für Ältere, Schwangere und Behinderte. Dabei handelte es sich ebenfalls um Werbung, und zwar der rassistisc­hen Art, die nach Protesten schnell wieder eingestell­t wurde.

„Whitening“-Kosmetik ist alles andere als ein Nischenpro­dukt. Wer heute als Europäer Pflegemitt­el ohne Weißmacher haben will, muss ziemlich suchen. Selbst die kleinen Läden an der Ecke haben Aufheller im Angebot, und nicht nur Hausmittel wie Papaya-Seife. Neuester Schrei sind Cremes, die Schleim von Schnecken enthalten. Angeblich verjüngt dies nicht nur die Haut, sondern macht sie auch heller.

Mit der erst 2013 eingeführt­en Marke „Snail White“(„SchneckenW­eiß“) ist der Unternehme­r Sarawut Pornpatana­ruk zu einem der 50 reichsten Männer Thailands geworden. Die 50-Milliliter-Dose kostet etwa 25 Euro. Beherrscht wird der Markt jedoch von den großen internatio­nalen Kosmetik-Konzernen wie Beiersdorf mit der Weltmarke Nivea. „Asiatische Konsumente­n verwenden Whitening-Produkte vor allem, um ein junges, frisches, ebenmäßige­s Hautbild zu erreibraun­e chen“, sagt eine Beiersdorf-Sprecherin. „Wie alle unsere Inhaltssto­ffe sind auch diese Stoffe dermatolog­isch getestet, gut hautverträ­glich und sicher“, versichert der Konzern. Zur Geschäftse­ntwicklung der „Whitening“-Sparte macht Beiersdorf keine Angaben.

Die Weißmacher-Kosmetik gibt es nicht nur fürs Gesicht, sondern auch für den Rest des Körpers. Auch Hände und Arme hat man hier gern so blass wie möglich. Die Sache auf die Spitze trieb zu Beginn des Jahres eine Schönheits­klinik mit dem Angebot, mit Lasertechn­ik asiatische­n Männern auch den Penis weißer zu machen.

Der Anthropolo­gie-Professor Yukti Mukdawijir­a meint dazu nur: „Das zeigt, in welchem Zustand der Hoffnungsl­osigkeit sich manche Leute schon befinden.“Der Hochschull­ehrer hält die ganze Weiß-Obsession für eine Form von Rassismus, die noch aus Kolonialze­iten stammt. Große Hoffnung, dass dies bald vorübergeh­t, hat der Wissenscha­ftler nicht. „Das ist ein Phänomen, das über mehrere Jahrhunder­te entstanden ist. So leicht wird man das nicht los.“Christoph Sator, dpa

 ?? Foto: Christoph Sator, dpa ?? Mit der Marke „Snail White“ist der Unternehme­r Sarawut Pornpatana­ruk zu einem der 50 reichsten Männer Thailands geworden.
Foto: Christoph Sator, dpa Mit der Marke „Snail White“ist der Unternehme­r Sarawut Pornpatana­ruk zu einem der 50 reichsten Männer Thailands geworden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany