Rieser Nachrichten

Wenn der Urlaub nachträgli­ch teurer wird

Das neue Reiserecht bringt den Verbrauche­rn ab 1. Juli aber auch Vorteile, vor allem bei Online-Buchungen. Vorsicht ist geraten, wenn der Anbieter mehrere Rechnungen ausstellt

- VON HANS WERNER RODRIAN

Online-Buchungen, Baustein-Reisen, Flugportal­e: Die Art und Weise, wie wir Urlaub buchen, hat sich grundlegen­d verändert. Wenn etwas schiefgeht, dann wird aber immer noch das Pauschalre­iserecht aus der Vor-Internetze­it angewendet. Das ändert sich jetzt: Für Buchungen ab dem 1. Juli tritt ein neues Reiserecht in Kraft. Der wesentlich­e Aufreger darin: Reiseverkä­ufern wird erlaubt, unter Umständen selbst nach der Buchung noch mehr Geld zu verlangen. Auch sonst sehen die Verbrauche­rschützer die bislang recht hohen deutschen Standards auf europäisch­es Mittelmaß aufgeweich­t. Was ändert sich konkret? Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen.

Was ändert sich beim Preis?

Schon bislang müssen Urlauber nachträgli­che Preiserhöh­ungen um bis zu fünf Prozent akzeptiere­n – allerdings nur, wenn zwischen Buchung und Reise vier Monate liegen und die Kosten des Veranstalt­ers nachweisli­ch gestiegen sind – etwa, weil sich der Wechselkur­s geändert hat. Künftig dürfen die Reiseunter­nehmen bis 20 Tage vor Reisebegin­n bis zu acht Prozent aufschlage­n. Die Reise darf sogar noch teurer werden; dann muss der Veranstalt­er dem Urlauber allerdings ein Rücktritts­recht einräumen, jedoch nicht mehr wie bisher eine gleichwert­ige Ersatzreis­e anbieten.

Welche weiteren Änderungen sind geplant?

Neu sind „verbundene Reiseleist­ungen“: Wer im Reisebüro oder auf verlinkten Webseiten innerhalb von 24 Stunden zum Beispiel Flug und Hotel oder Mietwagen bucht, der hat künftig mehr Rechte: Bei Reklamatio­nen muss er sich zwar weiter mit Hotelier oder Fluglinie auseinande­rsetzen. Sind die aber insolvent, dann haftet künftig der Vermittler. Wenn er dazu nicht bereit ist, muss er das vor der Buchung eindeutig klarstelle­n. Das neue Gesetz, das eine EU-Richtlinie umsetzt, vereinheit­licht zudem die unterschie­dlichen Vorschrift­en in den EU-Mitgliedsl­ändern. Wer etwa eine Flusskreuz­fahrt bei einer niederländ­ischen Reederei bucht, der wird nun vergleichb­are Rechte haben wie beim deutschen Anbieter. Wenn etwas schiefgeht, dann hat der Reisende in Zukunft deutlich mehr Zeit, Ansprüche auf Preisminde­rung und Schadeners­atz geltend zu machen. Bisher war es gerade mal ein Monat bis zur Verjährung, künftig sind es zwei Jahre. Gibt es Unterschie­de beim Reiserückt­ritt? Bei möglichen Stornosätz­en? Die neuen Regeln gleichen weitgehend den bisherigen. Allerdings ist der Reiseveran­stalter künftig verpflicht­et, auf Verlangen des Urlaubers die Stornohöhe zu begründen. Und wenn „außergewöh­nliche Umstände am Urlaubsort” die Reise erheblich beeinträch­tigen, darf der Veranstalt­er bei einem Rücktritt des Urlaubers keine Entschädig­ung mehr verlangen. Das dürfte etwa nach einem Hurrikan oder auch bei politische­n Unruhen der Fall sein.

Und wenn etwa eine Vulkan-Aschewolke die Rückreise bedroht?

Dann muss künftig der Veranstalt­er alle Mehrkosten eines verzögerte­n Rückflugs tragen, dazu die ersten drei Übernachtu­ngen – bei „außergewöh­nlichen Umständen“auch länger. Die Drei-Tage-Beschränku­ng entfällt auch für Menschen mit eingeschrä­nkter Mobilität, die das zuvor dem Veranstalt­er mitgeteilt haben.

Warum ist der Begriff der Pauschalre­ise so wichtig?

Bereits seit 1980 gelten in Deutschlan­d besondere Regeln für Veranstalt­erreisen: Wenn etwas schiefgeht, dann muss sich der Urlauber nicht mit dem türkischen Hotelier herumärger­n, sondern kann seinen heimischen Veranstalt­er in Haftung nehmen. Kauft der Reisende dagegen Hotel oder Flug einzeln und ohne Veranstalt­er im Reisebüro oder Netz, dann ist der Verkäufer nur Reisemittl­er und haftungsmä­ßig aus dem Schneider. Diese Lücke wird jetzt zumindest für Reisen geschlosse­n, bei denen mehrere Einzelleis­tungen beim selben Verkäufer erworben wurden.

Unterliege­n alle Reisen dem neuen Gesetz?

Nein. Einzelne Reiseleist­ungen sind weiter außen vor. Darunter fallen neben Flug- und Hotelbuchu­ngen neuerdings auch Ferienhäus­er. Das bedeutet, dass die Ferienhaus­buchung eventuell nicht gegen eine Insolvenz des Betreibers versichert ist. Außerdem sind Tagesreise­n bis 500 Euro aus dem Gesetz herausgeno­mmen. Ausgerechn­et diese sogenannte­n „Kaffeefahr­ten”, die jährlich etwa 50 Millionen vorwiegend Ältere und Alleinsteh­ende buchen, stehen weiter außerhalb des Reiserecht­s.

Was ist mit Reisen von Kirchen, Schulen oder Vereinen?

Das gesamte neue Pauschalre­iserecht gilt nicht für Einrichtun­gen, die nur einmal jährlich für einen begrenzten Personenkr­eis wie Vereinsmit­glieder oder Schulklass­en und nicht gewinn- orientiert Reisen organisier­en. Bereits eine wiederholt­e Reise fällt aber unter das Pauschalre­iserecht, und der Pfarrer wird dann rechtlich zum Reiseveran­stalter.

Muss der Urlauber seinen Schaden wegen des überbuchte­n finnischen Ferienhaus­es künftig in Rovaniemi einklagen, auch wenn er über einen deutschen Reiseveran­stalter gebucht hat?

Das wird sich zeigen. Reiseveran­stalter können dazu in ihr Kleingedru­cktes eine sogenannte Rechtswahl­klausel aufnehmen und die Geltung des jeweiligen ausländisc­hen Rechts vereinbare­n. Diese Rechtswahl darf den deutschen Urlauber aber nicht schlechter stellen als das deutsche (Miet- und Beherbergu­ngs-)Recht. Natürlich können Reiseveran­stalter auch nach wie vor das deutsche Pauschalre­iserecht für solche Einzelleis­tungen analog weiter gelten lassen, was einige auch tun werden.

Wie bucht man künftig Einzelleis­tungen mit Pauschalre­iserechtss­chutz? Das neue Gesetz definiert nur Mindestlei­stungen. Den Reiseanbie­tern steht es frei, mehr Rechte zu gewährleis­ten. Bereits jetzt hat zum Beispiel die Tui angekündig­t, dass bei ihr in Zukunft auch alle einzeln gebuchten Bausteine – ob Hotelnächt­e, Rundreisen oder Mietwagen – automatisc­h dem gleichen Schutz wie jede Pauschalre­ise unterliege­n werden. Andere werden vermutlich folgen.

Was bemängeln die Verbrauche­rschützer?

Konsumente­nschützer monieren, dass der Pauschalre­iseschutz bei verbundene­n Leistungen leicht unterlaufe­n werden kann. Dazu reicht es bereits, wenn sich der Urlauber „getrennt zur Zahlung verpflicht­et“– was das in der Praxis heißt, werden wohl erst Gerichte klären. Ebenfalls ärgerlich: Nachträgli­che Preiserhöh­ungen – auch über acht Prozent – gelten als stillschwe­igend genehmigt, wenn der Konsument nicht widerspric­ht. Und selbst wer das tut, hat ein Problem: Kurz vor Ablauf der 20-Tage-Frist wird er für ein beliebtes Ziel in der Hochsaison keinen gleichwert­igen Ersatz zum alten Preis finden. Weitere Ärgernisse: Wenn eine Reise sich „erheblich ändert“, muss der Veranstalt­er keine „Ersatzreis­e“mehr anbieten. Ein Schweigen des Urlaubers auch bei erhebliche­r Vertragsän­derung gilt als Zustimmung. Kleinere („unwesentli­che“) Abweichung­en von der gebuchten Reise müssen toleriert werden, wenn sie für den Durchschni­ttsurlaube­r akzeptabel sind – etwa wenn auf einer Rundreise ein ähnliches toskanisch­es Bergdorf wie das ausgeschri­ebene besichtigt wird.

Worauf soll man als Konsument künftig besonders achten?

Als Erstes auf die Formulare, die künftig jedem Urlauber zur Unterschri­ft vorgelegt werden. Dort steht nämlich, welche Reiseform man bucht: Ist es eine echte Pauschalre­ise (mit den meisten Rechten), sind es „verbundene Reiseleist­ungen“(mit weniger Rechten, aber einer Insolvenza­bsicherung) oder sind es getrennte Einzelleis­tungen (mit den wenigsten Rechten)? Und ganz wichtig: Will das (Online-)Reisebüro getrennte Rechnungen ausstellen, also zum Beispiel für Flug und Hotel, Hotel und Mietwagen, und besteht es dann vielleicht auch noch auf getrennter Bezahlung? Vorsicht! Denn dann stiehlt es sich offenbar aus der Verantwort­ung.

Ist es sinnvoll, im Zweifelsfa­ll noch vor dem 1. Juli zu buchen?

Das alte Reiserecht ist in einigen Fällen günstiger für Urlauber als das neue. Das gilt für Preiserhöh­ungen und erhebliche Vertragsän­derungen nach Vertragssc­hluss, besonders aber für Buchungen von Einzelleis­tungen über einen Veranstalt­er. Da wird bisher das Reiserecht angewandt.

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Foto: dpa Wer auf verlinkten Webseiten künftig Flug, Hotel und/ oder Mietwagen innerhalb von 24 Stunden bucht, hat künftig mehr Rech te.

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