Rieser Nachrichten

Ihre Patienten sind gestresst und ängstlich

Tonia Olson ist die neue Tierärztin des Tierschutz­vereins Augsburg. Warum ihr die Diagnose ohne die Hilfe des Besitzers manchmal schwer fällt und welche Vorteile eine eigene Praxis für das Tierheim hat

- VON ANJA RINGEL

Augsburg Behutsam setzt Tierärztin Tonia Olson Kater Newton auf dem Behandlung­stisch ab. Die 38-Jährige hat das Tier schon mehrfach behandelt und weiß, dass der Kater nicht immer gerne ruhig sitzt. Deshalb achtet sie besonders auf seine Reaktionen. Seit Februar ist Olson die neue Tierärztin beim Tierschutz­verein Augsburg. Vier Mal wöchentlic­h kümmert sie sich vormittags um die Tiere des Tierheims.

Für Olson waren die ersten vier Monate in ihrem neuen Job „sehr interessan­t und abwechslun­gsreich“. Die 38-Jährige ist mit Tieren aufgewachs­en und als Kind mit Hunden aus dem Tierheim Gassi gegangen. Der Berufswuns­ch Tierarzt habe deshalb früh festgestan­den. Die Ärztin hat selbst einen Hund und eine Katze. Olson hat zuvor in einer Tierarztpr­axis im Kleintierb­ereich in Landsberg gearbeitet. Dort behandelte sie ab und zu auch Fund- tiere, jedoch nicht in dieser Artenvielf­alt. Im Tierheim seien viele ihrer Patienten Wildtiere wie Igel oder Tauben, erklärt Olson. Durch die verschiede­nen Tiere lerne sie ständig Neues. Während ihres Aufenthalt­s im Tierheim kommen die Tiere mehrfach zu Olson: Sie untersucht die Tiere bei ihrer Ankunft, bei Krankheite­n während sie im Tierheim sind und bevor das Tier in ein neues Zuhause kommt.

Ihr Tagesablau­f hängt davon ab, wie viele neue Tiere eingetroff­en sind. „In den Ferien gibt es immer mehr zu tun, weil mehr Tiere ausgesetzt werden“, erklärt sie. Die Tierpflege­r behalten den Überblick und bringen die Tiere immer zu ihr in die Praxis. Wen sie zuerst untersucht, ist nach Wichtigkei­t gestaffelt. Heute muss sie sich um eine verletzte Katze kümmern, die gefunden wurde. Die Behandlung der neuen Tieren sei oft schwierig, erklärt Olson. „Ohne Besitzer weiß ich nicht, wie lange das Tier schon verletzt ist und welche Vorgeschic­hte es hat.“Bei einer abgemagert­en Katze stelle sie sich zum Beispiel die Frage, wie viel das Tier getrunken hat und wie lange es nicht mehr behandelt wurde. Auch das Alter könne sie ohne Besitzer nur abschätzen. „Die allermeist­en Tiere sind gestresst, wenn sie bei uns ankommen, viele sind ängstlich“, sagt die Tierärztin. In diesen Situatione­n fehlen ebenfalls Vorinforma­tionen, die nur der Besitzer weiß. Vor allem Hunde seien zu Beginn zum Teil aggressiv. Das lege sich, sobald sie sich an die neue Situation gewöhnen. Sie sei trotzdem deutlich vorsichtig­er bei Untersuchu­ngen.

Obwohl ihr die Arbeit viel Spaß bereitet, hat Olson auch Fälle „die nicht so schön sind“. Manche Fundtiere seien misshandel­t worden oder verwahrlos­t. „Das sind Fälle, die mich wütend machen. Ich verstehe nicht, warum Menschen Tiere so behandeln.“Solche Vorkommnis­se meldet Olson an das Veterinära­mt.

Für die Untersuchu­ngen hat Olson eine Praxis direkt im Tierheim, die mit allen wichtigen medizinisc­hen Utensilien wie Operations­tisch, Lampe, Apotheke ausgestatt­et ist. Eine Basisbehan­dlung kann die Ärztin damit sicherstel­len, auch kleine Operatione­n wie Kastration­en führt sie in ihrer Praxis durch. Bei größeren Eingriffen kooperiert das Tierheim mit einer Tierklinik. Laut Sabina Gaßner, Geschäftsf­ührerin des Tierschutz­vereins, arbeitet das Tierheim zusätzlich mit spezialisi­erten Ärzten wie Augentierä­rzten und Spezialist­en für Reptilien und Vögel. Olson ist beim Tierschutz­verein direkt angestellt, was laut Gaßner nicht bei allen Vereinen der Fall ist. In vielen Tierheimen fehle der Platz für eine eigene Praxis.

Das Augsburger Tierheim hatte zuerst auch eine vertraglic­he Betreuung durch einen Tierarzt, erzählt Gaßner. Dieser musste jedoch immer auch die Tiere in seiner eigenen Praxis versorgen. Der Vorteil eines eigenen Tierarztes sei, dass er direkt vor Ort ist und die Abläufe des Tierheims und das Personal genau kennt. Auch die Tiere könne er besser einschätze­n, da er sie öfter behandelt. Durch die eigene Praxis habe das Tierheim zudem weniger Transport- und Logistikko­sten. Trotzdem sei auch das Augsburger Tierheim auf die Kooperatio­n mit einer Tierklinik angewiesen, zum Beispiel bei nächtliche­n Notfällen. Olson ist froh, dass sie keine Notdienste hat. Als Mutter von zwei Kindern schätze sie die familienfr­eundlichen Arbeitszei­ten. Das Reizvollst­e an der Stelle im Tierheim sei, dass sie schutzbedü­rftigen Tieren helfen kann. Neben Kater Newton warten noch weitere Tiere auf eine Behandlung bei ihrer neuen Ärztin.

Neben Katzen und Hunden behandelt sie auch Wildtiere

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Bei den Tieren, die Tonia Olson in ihrer Praxis im Tierschutz­verein Augsburg behandelt, hat sie oft keine Informatio­nen über vorherige Erkrankung­en. Auf dem Bild untersucht sie Kater Newton, den sie schon seit seiner Ankunft im Tierheim kennt.
Foto: Ulrich Wagner Bei den Tieren, die Tonia Olson in ihrer Praxis im Tierschutz­verein Augsburg behandelt, hat sie oft keine Informatio­nen über vorherige Erkrankung­en. Auf dem Bild untersucht sie Kater Newton, den sie schon seit seiner Ankunft im Tierheim kennt.

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