Hose ändern gegen Rad reparieren
Wie der Nördlinger Tauschring das Leben seiner Mitglieder erleichtert und bereichert
Nördlingen Nach dem Winter mangelt es dem Fahrrad an Verkehrssicherheit, beim anstehenden Umzug muss dringend ein Regal aufgebaut werden, für den nächsten Geburtstag fehlt noch eine leckere Torte oder am Computer können plötzlich keine Mails mehr abgerufen werden. Heutzutage gibt es genügend Alltagssituationen, bei denen der Einzelne Hilfe benötigt. Doch gerade Alleinstehende wissen dabei nicht immer, an wen sie sich wenden sollen oder haben nicht genügend Geld, um sich teure Firmen leisten zu können. Genau an diesem Dilemma setzt der 2014 gegründete Tauschring Nördlingen an: Die Mitglieder tauschen geldlos Sachwerte oder Fähigkeiten.
Holger Kretzschmar beispielsweise ist der Fahrradspezialist in der Gemeinschaft und hat schon eine Reihe Reifen vieler Drahtesel geflickt, repariert und aufgerüstet, unter anderem den von Margot Galneder oder Michael Martin. Letzterer hat dafür schon oftmals Internetnotdienste geleistet und bietet Mathenachhilfe an.
Daneben gibt es außergewöhnlichere Tauschgeschäfte; so erzählt Conny Graf: „Ich durfte als Wochenendvertretung für einen Schä- fer Schafe füttern und ausmisten. Da das ausgerechnet das Osterwochenende war, kamen in der ganzen Herde unzählige Lämmer zur Welt. Das war für mich eine unglaublich schöne Erfahrung.“Als Allroundtalent packt sie im Tauschring gerne mit an, schneidet Rosen und Bäume, baut Schränke auf und agiert als Umzugshelferin. „Dafür lasse ich mir dann Kuchen und Plätzchen backen; das mag ich selbst nämlich gar nicht“, erklärt sie. Wie viele andere Mitglieder im Tauschring empfindet Conny Graf es als überaus positiv, durch diesen Austausch von Zeit neue Erfahrungen zu machen und immer wieder neue Kontakte zu knüpfen. Das bestätigt auch Jutta Wiest, die vor zwei Jahren nach Nördlingen gezogen ist: „Bei meiner Anmeldung im Bürgerbüro habe ich den Flyer vom Tauschring mitgenommen. Aus den ersten Tauschgeschäften zur Unterstützung beim Umzug haben sich inzwischen Freundschaften entwickelt.“
Matthias Schwarz hat sich vom Tauschring besonders angesprochen gefühlt, weil dort alles geldunabhängig läuft: „Manche Bezahlungen bzw. Honorare empfinde ich als ungerecht. Im Tauschring steht die Lebenszeit, die man von einem anderen in Anspruch nimmt oder jemandem schenkt, im Vordergrund. Dadurch werden viele Leistungen wieder gleichwertiger.“
So entspricht eine Stunde Lebenszeit acht Danieltaler. Diese sind die eigene Verrechnungseinheit des Tauschrings, die für erbrachte Leistungen gut geschrieben bzw. für in Anspruch genommene Leistungen abgezogen werden. Dabei gibt es aufwendigere Leistungen, wie beispielsweise die Änderung eines Hochzeitskleids, die Gerlinde Estner sich ertauscht hat: „Den Minusstand auf meinem Konto habe ich dann mit Plätzchenbacken in der Adventszeit wieder abgebaut“, erzählt sie. Besonders gefragt sind im Nördlinger Tauschring die handwerklich begabten Männer, die gerade für die allein stehenden Frauen eine große Hilfe sind. „Dafür gibt es dann aber auch hin und wieder deftige Hausmannskost“, verrät Wiest.
Die Vorstandssprecherin Friedrun Meyer ist über die Tauschgeschäfte sehr erfreut und betont: „Zum einen steht der Kontakt im Vordergrund. Zum anderen bekommt man im Tauschring Hilfe, wenn man sie braucht, und jeder gibt einfach das, was er hat bzw. kann.“ O Kontakt Wer Interesse am Tauschring hat, kann an jedem ersten Montag ei nes Monats um 19 Uhr die Mitglieder beim Tauschtreffen im BRK Haus (Bleichgraben 2, 1. OG) kennenlernen. Der Jahresbeitrag beträgt 6 Euro, die einmalige Aufnahmegebühr 5 Euro.