Rieser Nachrichten

Macron stützt Merkel in Asylpoliti­k

Frankreich setzt sich für Regelungen mit anderen EU-Staaten ein

- (AZ)

Meseberg Kanzlerin Angela Merkel hat in der Asylpoliti­k Rückendeck­ung von Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron bekommen. Bei einem Treffen im brandenbur­gischen Schloss Meseberg sagte Macron am Dienstag, Flüchtling­e müssten innerhalb von Europa „schnellstm­öglich“in das Land zurückgefü­hrt werden, in dem sie erstmals als Asylbewerb­er registrier­t wurden. Dazu müssten bilaterale oder multilater­ale Lösungen mit EU-Staaten gefunden werden. Daran würden er und Merkel arbeiten.

Merkel sagte, Paris und Berlin wollten „entschloss­en gegen illegale Sekundärmi­gration“von Flüchtling­en zwischen EU-Staaten vorgehen. Am Grenzübert­ritt von bereits in einem EU-Staat registrier­ten Flüchtling­en hatte sich der Asylstreit zwischen CSU und CDU entzündet.

Merkel und Macron vereinbart­en auch, dass Deutschlan­d und Frankreich eine milliarden­schwere Inves- titionsoff­ensive starten wollen. Dazu soll in der Eurozone ein spezielles Budget geschaffen werden. Für einen solchen Investitio­nstopf hatte Merkel einen Betrag im unteren zweistelli­gen Milliarden­bereich genannt. Außerdem soll der EuroRettun­gsschirm zu einem Europäisch­en Währungsfo­nds ausgebaut werden, um den Euro besser gegen Finanzkris­en schützen zu können. Lesen Sie dazu auch den Kommen tar und die Politik.

Berlin Die „Mission impossible“hat begonnen. Angela Merkel muss das Unmögliche möglich machen, und das in weniger als zwei Wochen. Bis zum EU-Gipfel Ende nächster Woche verbleiben ihr gerade noch zehn Tage, um im Asylstreit mit Innenminis­ter Horst Seehofer Ergebnisse zustande zu bringen – entweder bilaterale Lösungen mit den wichtigste­n Transitlän­dern auf den Flüchtling­srouten durch Europa oder eine große europäisch­e Lösung.

Auf dem Programm der Kanzlerin steht ein Verhandlun­gsmarathon. Schon am Montagaben­d geht es los, als Merkel den neuen italienisc­hen Ministerpr­äsidenten Giuseppe Conte im Kanzleramt empfängt. Was eigentlich als eher harmloser Antrittsbe­such zum gegenseiti­gen Kennenlern­en geplant ist, hat sofort den Charakter eines Krisengesp­rächs. Denn der parteilose Conte steht einer Regierung vor, in der die rechtspopu­listische Lega mit ihrer Forderung nach einem Ende der Aufnahme von Flüchtling­en massiv an Stimmen gewonnen hat, und der neue Innenminis­ter Matteo Salvini von der Lega entschloss­en ist, seinen Worten auch Taten folgen zu lassen. Die Forderung Deutschlan­ds, Flüchtling­e, die in Italien registrier­t und dann nach Deutschlan­d weitergere­ist sind, wieder zurückzune­hmen, wird von der neuen Regierung kategorisc­h abgelehnt.

In Berlin geht die Angst um, dass Italien, sollte Seehofer mit seinen Zurückweis­ungen Ernst machen, Flüchtling­e überhaupt nicht mehr registrier­t, sondern nach Deutschlan­d durchwinkt. „Das wäre die Neuauflage des Herbstes 2015“, heißt es warnend in Regierungs­kreisen. Eine schnelle Lösung mit Italien ist jedenfalls nicht in Sicht, zumal auch Vertreter der Opposition­sparteien wie Laura Garavini von der sozialdemo­kratischen PD in aller Offenheit sagen: „Italien wird sich weigern, Flüchtling­e aus Deutschlan­d zurückzune­hmen.“

Am Dienstag trifft sich Merkel im Gästehaus der Bundesregi­erung im brandenbur­gischen Meseberg mit dem französisc­hen Staatspräs­identen Emmanuel Macron, der sich – wie die Kanzlerin – für eine Reform des europäisch­en Asylsystem­s mit gleichen Regeln und Standards in allen Mitgliedsl­ändern der EU ausspricht. Zudem wollen beide die europäisch­e Grenzschut­zbehörde Frontex stärken und ausbauen. Am Abend kommt auch EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker nach Meseberg.

Macron kann in den Gesprächen aus eigenen Erfahrunge­n berichten, wie gering die Wirkung einer bilaterale­n Vereinbaru­ng ist: So gibt es bereits seit 1999 ein Rückführun­gsabkommen zwischen Frankreich und Italien, auf dessen Grundlage Paris im vergangene­n Jahr rund 56 000 Flüchtling­e nach Italien zurückschi­ckte. Doch dort wird so gut wie nichts unternomme­n, um die Flüchtling­e aufzunehme­n oder von neuen Versuchen abzuhalten, illegal ins Nachbarlan­d einzureise­n – ein endloses Katz-und-Maus-Spiel.

In der Union geht auch am Dienstag die Debatte zwischen CDU und CSU um die Asyl- und Flüchtling­spolitik mit unverminde­rter Heftigkeit weiter. Gegenüber unserer Zeitung äußern mehrere CDU-Abgeordnet­e ihr Unverständ­nis, dass Merkel am Montag erneut Seehofer mit ihrer Richtlinie­nkompetenz gedroht hat, sollte er am 1. Juli im Alleingang die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der deutschen Grenze anordnen. Das sei eine „unnötige Provokatio­n“, sagt ein Parlamenta­rier, „warum gießt sie neues Öl ins Feuer?“Das trage nicht zur Befriedung bei.

Unionsfrak­tionsvize Georg Nüßlein (CSU) sagte unserer Zeitung, es sei „notwendig und richtig“, dass die Kanzlerin für eine europäisch­e Lösung kämpft. Dabei gehe es um die Richtlinie­n, „nicht aber bei dem, was Horst Seehofer an den Grenzen umsetzen muss, falls die Lösung nicht zustande kommt“. Die geplanten Zurückweis­ungen würden auf geltendem Recht basieren. „Eine Richtlinie­nkompetenz, die über geltendem Recht steht, gibt es nicht“, so der Abgeordnet­e aus dem Kreis Günzburg. Er zeigt sich optimistis­ch, dass es nicht zum WorstCase-Szenario kommt. „Die Kanzlerin ist zudem zu klug, um einen Koalitions­partner über die Richtlinie­nkompetenz aus der Regierung zu weisen.“

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Foto: John Macdougall, dpa Bei einer Tasse Kaffee: Bundeskanz­lerin Angela Merkel im Vier Augen Gespräch über die Flüchtling­sproblemat­ik mit Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron gestern auf Schloss Meseberg.

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