Rieser Nachrichten

Die ganze Kindheit in einem Fläschchen

Seit 70 Jahren ziert der gelbe Bär die Seifenblas­en von Pustefix. Das Spielzeug brachte Generation­en von Kindern zum Staunen. Doch die Idee entstand aus der Not

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Das knallige Röhrchen mit dem roten Deckel und dem gelben Bären wirkt aus der Zeit gefallen. Aber kaum ein Spielzeug ist zeitloser als Seifenblas­en. Generation­en von Kindern pusteten durch den Plastiksti­el, um den schillernd­en Bläschen hinterherz­ujagen. Dabei entstand die Idee eher aus der Not heraus, in einem Hinterzimm­er in Tübingen vor genau 70 Jahren.

Damals begann der Chemiker Rolf Hein mit Waschmitte­ln zu experiment­ieren, um sie in den Trümmern der Nachkriegs­zeit gegen Lebensmitt­el einzutausc­hen. Durch Zufall stieß er auf eine Rezeptur, mit der sich Seifenblas­en herstellen ließen. Hein erkannte das Potenzial der schmierige­n Flüssigkei­t und machte sich daran, ein fertiges Spielzeug zu kreieren. Anfangs wurde er für seine Idee belächelt. Doch schon bald entwickelt­en sich die Pustefix-Seifenblas­en zum Kassenschl­ager. Für das Etikett ließ sich der Chemiker vom Teddybären seiner Kinder inspiriere­n. Seitdem ist der gelbe Bär das Symbol für die Leichtigke­it und Schönheit der glänzenden Seifenblas­en.

Die Flüssigkei­t verkaufte Hein in Aluminiumr­öhrchen, als Verschluss diente ein Korken, in dem ein Metallstif­t mit Drahtspira­le steckte. Doch so manches Kind dürfte enttäuscht in die leere Dose geblickt haben.

Oft war der Korken undicht, und die Flüssigkei­t zersetzte die Spirale. Erst der Plastikboo­m der 50er Jahre löste das Problem, und die Seifenblas­en wurden in die ganze Welt exportiert. Die Genialität des Spielzeugs liegt in seiner Einfachhei­t. Kurz rühren, pusten und schon schweben unzählige Seifenblas­en durch die Luft. In ihnen spiegelt sich die Leichtigke­it, mit der Kinder die Welt entdecken. Kein Wunder, dass der gelbe Bär auch Erwachsene begeistert. Er hat etwas Beständige­s. Wer das Röhrchen öffnet, fühlt sich in die eigene Kindheit zurückvers­etzt. Erinnerung­en werden wach, wie man mit den Geschwiste­rn um die größte Seifenblas­e wetteifert­e und die bunten Bläschen platzen ließ. Das einfache Spielzeug funktionie­rt bis heute. Keine Barbie, kein blinkender Bildschirm konnte die Seifenblas­en verdrängen.

Heute beschäftig­t Pustefix am Standort Tübingen 25 Mitarbeite­r. Jedes Jahr werden 700 000 Liter Flüssigkei­t abgefüllt. Die Rezeptur ist geheim. 2011 übernahm der österreich­ische Stadlbauer-Konzern die Firma, aber Frank Hein, der Enkel des Seifenblas­enerfinder­s, blieb Geschäftsf­ührer. Vor Spielzeugl­äden weltweit sitzen Bären und pusten Seifenblas­en made in Germany in die Luft. Wind und Wetter setzten ihnen zu. Ist das Fell zerzaust oder die Elektrik kaputt, kommen sie in die Werkstatt nach Tübingen. Die Bären sind die einzige Werbung. Auch nach 70 Jahren verkaufen sich die Seifenblas­en scheinbar wie von selbst. Felicitas Lachmayr

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