Rieser Nachrichten

Die Hut Hoch Zeit

Beim Pferderenn­en in Ascot geht es vor allem um die Kopfbedeck­ungen der Damen. Worauf es dabei ankommt. Und wie viele Flaschen Champagner geköpft werden

- VON KATRIN PRIBYL

Ascot Es soll ja durchaus vorkommen, dass manche der weiblichen Gäste kein einziges Pferderenn­en sehen, sondern nur ein Ziel verfolgen: selbst gesehen zu werden. Dafür setzen sie sich Riesen-Rosen auf den Kopf, künstliche Pfauenvöge­l, bunte Plastik-Schmetterl­inge, einen rosa Federbusch oder gleich einen Miniatur-Garten. Im englischen Ascot geht es seit gestern wieder fünf Tage lang vor allem um Hüte, Hüte. Und Hüte. Ob groß bis riesig, rot, blau, lila oder gelb, mit KunstLilie­n oder Schleifche­n besetzt, in Form von Hochzeitst­orten oder versehen mit schrillen Blumenbuke­tts, breiten Krempen oder Türmen aus Tüll – der in englischer Manier zurechtges­tutzte Rasen rund um die Rennbahn wird zum Laufsteg.

Immerhin, der Hut ist beim ältesten und berühmtest­en Pferderenn­en Englands Pflicht, insbesonde­re im königliche­n Ehrengastb­ereich, der Royal Enclosure. Männer müssen Zylinder tragen und Frauen befehlen die Etikette, dass „die Basis der Kopfbedeck­ung einen Durchmesse­r von mindestens vier Zoll oder zehn Zentimeter­n hat“. Abseits jenes Bereichs, wo Ihre Majestät und ihre Gäste sitzen, geht es derweil weniger streng zu, auch wenn der Dress Code eine hutlose Erscheinun­g hier ebenso verbietet.

Im Jahr 1711 veranstalt­ete Königin Anne erstmals das Gesellscha­ftsEvent. Und bis heute bietet es Besuchern die seltene Gelegenhei­t, die Royals aus der Nähe zu sehen. Denn Königin Elizabeth II., begeistert­e Pferdezüch­terin und selbst im hohen Alter noch regelmäßig im Sattel sitzend, fungiert in der Rolle der Hausherrin und Gastgeberi­n. Täglich eröffnet sie das Spektakel mit der traditione­llen Kutschfahr­t entlang der Rennstreck­e in Begleitung anderer Royals. Angeblich gehören die Ascot-Tage zu den ersten Terminen, die sich das Staatsober­haupt jedes Jahr im Kalender anstreicht, auch weil stets eigene Pferde der Queen an den Start gehen.

Zwar gibt es in Ascot die Möglichkei­t, mit dem Helikopter anzureisen – rund 400 Hubschraub­er landen jedes Jahr auf der prächtigen Anlage. Doch die meisten der rund 300 000 Besucher nehmen dann doch den Zug nach Ascot, etwa 50 Kilometer westlich von London gelegen. Vielleicht ist das auch eine reine Vorsichtsm­aßnahme, denn trotz des feinen Anstrichs torkeln die meisten Zuschauer am Abend zurück nach Hause. Mehr als 50 000 Flaschen Champagner werden jährlich geköpft, rund 160 000 Gläser des englischen Kultgeträn­ks Pimm’s geleert und fast 5000 Hummer verschlung­en.

Hinzu kommt, dass die feinen Herrschaft­en oder jene, die sich diesen Kreisen zugehörig fühlen, ins Wettfieber verfallen. Es ist der Briten liebstes Hobby und so kann in Ascot nicht nur mit großem Eifer auf Pferde gewettet werden, sondern auch auf die Hutfarbe der Queen – wohl dem, der am Dienstag auf Gelb gesetzt hatte. Die Engländer zelebriere­n sich und ihre Traditione­n. Gartenpart­ys, Hochzeiten, Poloturnie­re – der gesellscha­ftliche Kalender auf der Insel quillt derzeit über. Es herrscht Hut-Hoch-Saison. Und ist deshalb auch die geschäftig­ste Zeit für Rosie Abrahams, die den Verleih „Hectic Hat Hire“im Londoner Stadtteil Fulham betreibt. Mehr als 600 Designer-Kopfbedeck­ungen in jeder Form und Farbe stehen zur Auswahl. Die meisten werden dieser Tage ausgeführt gegen eine Leihgebühr zwischen 35 und schlappen 125 Pfund, letzteres umgerechne­t mehr als 140 Euro.

„Ein Hut vollendet ein Outfit“, sagt die Designerin Rachel TrevorMorg­an. Und auch wenn es Jahr für Jahr neue Trends gibt, ist jede Kopfbedeck­ung stets individuel­l auf das Kleid, die Wünsche und den Anlass der Trägerin abgestimmt. Auffallend am ersten Tag von Ascot war, wie viele Damen mit einem flachen Hut in Scheibenfo­rm unterwegs waren, wie ihn auch Meghan Markle, die Herzogin von Sussex, bereits häufiger trug. Dazu dominierte­n leuchtende Farben. Große Hüte, die an die 90er Jahre und vor allem an die Kult-Komödie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“erinnern, erleben laut Hutverkäuf­er ebenfalls ein Revival.

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Fotos: afp, dpa Bei den Männern ist es in Ascot einfach: So wie Prinz Charles (oben links) müssen alle Herren Zylinder tragen. Bei den Damen ist mehr Kreativitä­t gefragt. Das gilt sowohl für die Queen (oben rechts), wie auch für die anderen Damen der sogenannte­n...

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