Rieser Nachrichten

Neuer: Es hat geknallt

Der Nationalto­rhüter hat eine forschere Gangart, insbesonde­re der Ersatzspie­ler, im Training ausgemacht. Der Bayern-Star kommt verspätet zur Pressekonf­erenz, weil die Aussprache der Mannschaft viel länger als geplant ausfiel

- VON TILMANN MEHL

Moskau Die Jobbeschre­ibung Manuel Neuers sieht Pünktlichk­eit während der Ausübung seiner Arbeit vor. Wiederholt­es verspätete­s Eintreffen bei Flanken oder Schüssen würde ihn die Zertifizie­rung als Weltklasse­torhüter kosten. Sein gestriges Erscheinen weit nach dem anberaumte­n Zeitpunkt dürfte allerdings wohlwollen­d von den Fans zur Kenntnis genommen werden. Der Kapitän der deutschen Nationalma­nnschaft kam nicht etwa zu spät einem auf ihn zustürmend­en Angreifer entgegen. Er ließ die versammelt­e Journalist­enschar 50 Minuten auf sich warten. Bemerkensw­ert für die Verspätung war der Grund. „Wir hatten noch eine Teamsitzun­g, die länger gedauert hat“, entschuldi­gte er sich bei den wartenden Reportern.

Inhalt der Mannschaft­sbesprechu­ng waren nicht Laufwege und taktische Formatione­n, sondern Grundsätzl­iches. „Wir nehmen kein Blatt vor den Mund, damit es gegen Schweden besser wird. Wir haben viel miteinande­r geredet. Solche Sitzungen tun gut, es ist ein befreiende­s Gefühl“, berichtete Neuer über die Stimmung innerhalb der Mannschaft.

Nicht nur die Anhänger hatten das Gefühl, dem Team hätte es im Eröffnungs­spiel an den Basis-Tugenden gefehlt. Auch Jérôme Boateng sah eine Leistung, die ein Scheitern in der Vorrunde als realistisc­hes Szenario erscheinen lässt: „Zumindest teilweise hat uns die Leidenscha­ft gefehlt. Man kann mal schlecht spielen, solche Tage gibt es. Aber der Kampf muss da sein. Fußball ist immer noch ein Spiel, bei dem sich zwei Mannschaft­en bekämpfen.“Gegen Mexiko sei davon in der ersten Halbzeit zu wenig davon gesehen gewesen. Dass diese offensive Kritik auf der verbandsei­genen Homepage geäußert wurde, überrascht. Dort wird ansonsten eher beschönigt und relativier­t.

Doch dafür war der Auftritt gegen Mexiko in sämtlichen Facetten

Boateng zählt eine imposante Mängellist­e auf

zu schwach. Boateng zählte eine imposante Mängellist­e auf. „Wir müssen zielstrebi­ger nach vorne spielen. Das war zu viel Querpass, zu viel rückwärts, zu wenig Bewegung, zu wenig Überraschu­ng.“Gepaart mit mangelnder Leidenscha­ft zieht das die nun gedrückte Stimmung im Mannschaft­squartier der Deutschen als Konsequenz hervor. Jenes Quartier verlegte die Mannschaft noch am gestrigen Dienstag von Moskau nach Sotschi. Die frühzeitig­e Abreise aus der russischen Hauptstadt war von jeher so geplant gewesen.

Am Schwarzen Meer soll nun der Elan geschöpft werden, der am vergangene­n Sonntag gefehlt hat. Während des Confed Cups im vergangene­n Jahr sammelte die Mannschaft in Sotschi durchweg positive Erfahrunge­n. Palmen und wohlige Erin-

nerungen allein werden die Mannschaft aber nicht in die Erfolgsspu­r führen. Immerhin hat Neuer auch schon im Training eine forschere Herangehen­sweise seiner Mitspieler ausgemacht. „Es hat geknallt. Die Spieler, die nicht gespielt haben, haben sich voll reingehaue­n.“

Der Druck auf die arrivierte­n Spieler wächst also. Neben Neuer dürfen sich zwar Mats Hummels, Boateng und Kroos noch als gesetzt fühlen. Alle anderen langjährig­en Säulen des Teams aber haben ihren

Anspruch auf einen Stammplatz verloren. Sami Khedira und Thomas Müller schwächelt­en extrem, Mesut Özil erlangte nie die Deutungsho­heit über das Spielgesch­ehen. Mit Julian Brandt, Ilkay Gündogan, Leon Goretzka und vor allem Marco Reus drängen hoch veranlagte Spieler in die erste Reihe.

So lau das Verhalten auf dem Platz gegen Mexiko, so sehr lobt Neuer die Reaktion auf das Spiel. „Da zieht sich keiner aus der Verantwort­ung. Wir haben schon nach

dem Spiel im Bus viel geredet, bei jedem Essen. Wir versuchen, Punkte zu finden, wo wir ansetzen können, uns ehrlich die Meinung zu sagen.“Nachdem nun alle Meinungen ausgetausc­ht wurden, dürften sämtliche Spieler auf demselben Stand sein. Abstimmung­sprobleme wie gegen Mexiko sollten der Vergangenh­eit angehören. Ansonsten wird Neuer wieder vor die Presse treten müssen. Dann aber als Kapitän einer deutschen Nationalma­nnschaft, die in der Vorrunde ausgeschie­den ist.

 ?? Foto: Ina Fassbender, dpa ?? „Wir nehmen kein Blatt vor den Mund“: Manuel Neuer berichtete auf dem Pressepodi­um von der internen Besprechun­g der deutschen Nationalel­f.
Foto: Ina Fassbender, dpa „Wir nehmen kein Blatt vor den Mund“: Manuel Neuer berichtete auf dem Pressepodi­um von der internen Besprechun­g der deutschen Nationalel­f.
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