Was ist besser?
Eine Kollegin berichtete mir kürzlich von einer Feier. Da mehrere Redner geladen waren, wurde veranschlagt, dass jeder ungefähr sieben Minuten sprechen dürfte. Bei den ersten fünf klappte das auch. Doch an sechster Stelle kam eine Dame, die zuerst einen etwas verwirrten Eindruck machte, dann aber unumwunden zugab, dass sie den Text nicht verfasst und auch nicht vorbereitet hatte. Der unzusammenhängende und völlig unverständliche Text hörte und hörte nicht auf. Nach ein paar Minuten wurde es einem der Zuhörer in den hinteren Reihen zu bunt. Gut hörbar machte er sich Luft: „Das ist eine Frechheit!“„Warum kann die Dame nicht lesen?“Wieso ist sie nicht vorbereitet?“
Im Saal wurde es immer unruhiger. Doch die Dame am Rednerpult ließ sich nicht beirren, stoisch blätterte sie in ihrem Manuskript und stöpselte weiter. Ein verzweifeltes Auflachen im Publikum kommentierte sie mit einem unwirschen „Lachen Sie nur, Lachen ist gesund!“
Da stellt sich die Frage: Wäre ich jemals so mutig, hörbar einen Redner zu kritisieren, der einen Saal voller Menschen langweilt? Oder möchte ich einmal das unangreifbare Selbstvertrauen der Rednerin haben, an der alle Kritik einfach abprallt? Am besten wäre natürlich die Kombination aus beidem: ein Rückgrat aus Stahlbeton und die Fähigkeit, unterhaltsam Kritik üben. Aber das bleibt für die meisten Menschen wohl eher ein Wunschtraum.