Rieser Nachrichten

So gut verdient Deutschlan­d an den Griechen

2,9 Milliarden Euro Zinsen für den Bund. Soll Europa Athen nun Schulden erlassen?

- VON DETLEF DREWES

Brüssel/Berlin Griechenla­nd hat es geschafft: Am 20. August läuft das dritte und letzte Hilfspaket mit einem Volumen von bis zu 86 Milliarden Euro aus. Nach neun Jahren steht das krisengesc­hüttelte Land damit finanziell wieder auf eigenen Füßen – zumindest ein bisschen. Einer der größten Profiteure der Milliarden­hilfen zur Rettung Griechenla­nds ist dabei Deutschlan­d, das seit dem Jahr 2010 mindestens 2,9 Milliarden Euro an Zinsen verdient hat.

Wie aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Grünen hervorgeht, hat der deutsche Staat vor allem an den Ankäufen griechisch­er Staatsanle­ihen durch die Europäisch­e Zentralban­k verdient, deren Zinsen über die Bundesbank letztlich beim Bund gelandet sind. Auch die Bundesbank selbst hat griechisch­e Papiere aufgekauft. Diese Käufe waren notwendig, damit Griechenla­nd sich weiter finanziere­n konnte. Bisher hat das Land 274 Milliarden Euro an Hilfskredi­ten erhalten, insgesamt steht es mit rund 330 Milliarden Euro in der Kreide. „Entgegen allen rechten Mythen hat Deutschlan­d massiv von der Krise in Griechenla­nd profitiert“, sagte der Grünen-Haushaltse­xperte Sven-Christian Kindler, der einen umfassende­n Schuldenna­chlass für das Land fordert. „Es kann nicht sein, dass die Bundesregi­erung mit Milliarden an griechisch­en Zinsgewinn­en den deutschen Haushalt saniert.“

Der europäisch­e Währungsko­mmissar wurde am Donnerstag richtig sentimenta­l. „Ich denke an die vielen Stunden, Tage und Nächte, in denen wir zusammen waren und beraten haben, um Griechenla­nd und die Eurozone zu retten“, sagte Pierre Moscovici, bevor er zum Treffen der Finanzmini­ster der Währungsun­ion in Luxemburg ging. Auch der deutsche Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) gab sich zufrieden: „Es ist gelungen, dass wir mit unserer Solidaritä­t einem Land wieder auf die Beine geholfen haben.“Die hellenisch­e Regierung und die Bevölkerun­g hätten einen guten Job gemacht. Endlich könne die größte Hilfsaktio­n des Euroraums für ein anderes Land erfolgreic­h abgeschlos­sen werden.

Der Druck auf die griechisch­e Regierung soll dennoch aufrechter­halten werden, wie es der Österreich­er Hartwig Löger ausdrückte: „Wir müssen sicherstel­len, dass alle Auflagen auch in Zukunft umgesetzt werden.“450 dieser Reformauft­räge hat die Athener Regierung in den zurücklieg­enden Jahren umgesetzt. Nun bleibt das Land unter Beobachtun­g und bekommt weitere Auflagen. Schon vor Beginn des Treffens hatten die Unterhändl­er ein Paket nach dem Motto Zuckerbrot und Peitsche geschnürt: Aus dem dritten Hilfspaket sollen zwischen zehn und 15 Milliarden in eine Rücklage fließen, um eventuelle kurzfristi­ge Schwankung­en auszugleic­hen. Ab 2022 werden die Kontrolleu­re der Geldgeber dann alle drei Jahre ins Land kommen, um die Bücher zu prüfen. Kann die dann jeweils amtierende Regierung nachweisen, dass sie mit den Reformen im Zeitplan liegt, winken Zuschüsse der Europäisch­en Zentralban­k.

Geplant ist, die Zinsgewinn­e, die die Notenbanke­n mit den hellenisch­en Staatsanle­ihen gemacht haben, künftig nicht an die Geberstaat­en, sondern an die Griechen auszuschüt­ten. In Sachen Schuldener­leichterun­gen kommt es dagegen nicht zu einem großen Wurf. Konkret ist daran gedacht, Athen einen weiteren Aufschub bei der Rückzahlun­g der Kredite aus dem zweiten Hilfsprogr­amm zu gewähren. Bisher gilt, dass Griechenla­nd von 2023 bis 2056 insgesamt 130,9 Milliarden Euro zurückzahl­t. Nun wird das Zahlungszi­el um bis zu drei Jahre nach hinten verschoben.

Ist Griechenla­nd damit aus dem Schneider? Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar.

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