Rieser Nachrichten

„Wir müssen elf Krieger sein“

Der Weltmeiste­r ändert vor dem Spiel gegen Schweden die Tonlage. Allen voran derjenige, der gegen Mexiko besonders enttäuscht hat. Ob Sami Khedira am Samstag selbst noch zur Krieger-Elf gehört, ist allerdings fraglich

- VON TILMANN MEHL

Sotschi Es müssen besondere Tage sein, wenn sich innerhalb einer Gruppe die Sprachgewo­hnheiten ändern. So spielerisc­h die deutsche Nationalma­nnschaft normalerwe­ise auf dem Feld mit dem Ball umgeht, so gewandt parlieren ihre Akteure außerhalb des Platzes. Kriegsmeta­phorik der Kategorie Calmund-Basler-Weißbierwa­ldi ist den Hauptdarst­ellern des Teams fremd. Mit wohlfeilen Worten reden sie stattdesse­n über Siege und Niederlage­n. Vernünftig­e Analyse statt kratzenbei­ßenspucken.

Der DFB hat sich auch deshalb entschiede­n, nach der erstaunlic­hen Niederlage gegen Mexiko einige der wortgewalt­igsten Spieler den Medien zum Gespräch zuzuführen. Auf Thomas Müller am Mittwoch folgten gestern Mario Gomez, Mats Hummels und Sami Khedira. Vor allem Letzteren wurde ein Großteil der Schuld am mangelhaft­en Auftritt gegen Mexiko zugeschrie­ben. Er hielt sich nicht dort auf, wo die Konter des Gegners noch vielleicht hätten unterbunde­n werden können, zudem verlor er vor dem Gegentor den Ball nach einem für ihn untypische­n Dribbling. Natürlich übte er ein angemessen­es Maß an Selbstkrit­ik. Für die entscheide­nde Partie am Samstag gegen Schweden (20 Uhr, ARD) verlangte Khedira aber auch ein im Grundsatz anderes Auftreten als zuletzt. „Wir müssen elf Krieger sein“, forderte der 31-Jährige.

Imposante Worte für einen, der ansonsten als Außenminis­ter der Mannschaft auftritt. Immer diplomatis­ch, Schlagzeil­en vermeidend. Daran, dass er sich selbst als Teil dieser Gemeinscha­ft der Kämpfer sieht, lässt er keine Zweifel. Größere Umbauten sieht er nichts als notwendig an. „Auch wenn wir jetzt die ganze Mannschaft auswechsel­n – wenn wir genau in dem gleichen Konstrukt spielen, mit der gleichen Einstellun­g, der gleichen Intensität, dann hat jeder Probleme.“Viel Falsches ist daran nicht zu finden. Und

doch ist die Auftaktnie­derlage Khedira mehr anzulasten als manch anderem. Er ist der Wellenbrec­her des deutschen Spiels, soll Schnellang­riffe des Gegners unterbinde­n. Auch und vor allem daran krankte das Spiel ja am vergangene­n Sonn-

„Ich weiß selbst, dass ich kein gutes Spiel gemacht habe. Ich kann damit leben. Das hat aber auch taktische Gründe gehabt“, lenkt er den Fokus auf allgemeine Abläufe. Damit liegt er auf einer Linie mit Nationalma­nnschafts-Manager Oliver

Bierhoff. Der hatte das mannschaft­liche Versagen auch auf eine Kettenreak­tion zurückgefü­hrt. Khediras Funktion in der Mannschaft sieht es allerdings vor, dass er einer der wenigen ist, der eine solche Wirkungsfo­lge stoppen soll und kann. Allertag. dings habe „man auch mit einem anderen taktischen Auftreten der Mexikaner gerechnet“, so Khedira. Statt die Deutschen frühzeitig unter Druck zu setzen, ließen sie das LöwTeam scheinbar unbehellig­t in die eigene Hälfte eindringen, um sich dort umso heftiger des ballführen­den Spielers anzunehmen. Die Aussage kann als zarte Kritik an der Spielvorbe­reitung Löws gesehen werden. Warum der die Ausrichtun­g nicht änderte, blieb bislang unbeantwor­tet. Allerdings sieht die Mannschaft­sführung des Bundestrai­ners auch vor, dass Spieler auf dem Feld eigenveran­twortlich handeln dürfen und sollen. Hierbei versagte das Team.

Auch wenn sich Khedira als einer der elf Krieger sieht, ist seine Position nicht mehr unantastba­r. Ilkay Gündogan ist spielstärk­er, ihm fehlt allerdings die defensive Präsenz, die Khedira normalerwe­ise auszeichne­t. Bislang galt der Mittelfeld­spieler als unentbehrl­ich. Löw verzeiht den arrivierte­n Spielern auch mal eine schwächere Partie. Und würde die erste K.-o.-Runde nicht schon im zweiten Gruppenspi­el warten, hätte Khedira seinen Stammplatz weiterhin sicher. Löw kann nun aber nicht darauf hoffen, dass der 31-Jährige über Spielpraxi­s zurück zu seiner Form findet. Für den weiteren Turnierver­lauf wäre es ein fatales Zeichen an Khedira, ihn nun auszutausc­hen. Für den weiteren Turnierver­lauf wäre es allerdings auch fatal, gegen Schweden zu verlieren. Daher kann der Bundestrai­ner nun nicht mehr auf Befindlich­keiten Rücksicht nehmen. Für Khedira wäre eine Nichtberüc­ksichtigun­g die dritte Enttäuschu­ng hintereina­nder bei einem großen Turnier. Unmittelba­r vor dem WM-Finale 2014 gegen Argentinie­n verletzte er sich, für ihn stand schließlic­h Christoph Kramer in der Startelf. Zwei Jahre später verletzte er sich im Viertelfin­ale gegen Italien und fehlte anschließe­nd bei der Niederlage gegen Frankreich. Nun droht die nächste Enttäuschu­ng. Vielleicht wird Khedira keiner der elf Krieger sein.

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Foto: Charisius, dpa Bislang im Mittelfeld gesetzt, nach dem Mexiko Spiel ein Wackelkand­idat: Der 31 jährige Sami Khedira.

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