Rieser Nachrichten

Iwan, Alexej, Wladimir – der russische Mann

- VON TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Der russische Mann würde über den deutschen Mann abschätzig lächeln. Wenn er denn lächeln könnte. Kann er aber nicht. Iwan, Alexej und Wladimir schauen grundsätzl­ich ernst bis finster drein. Am Strand, im Auto, in der Bar. Sie reden wenig und lachen gar nicht. Harte Typen. Im Gegensatz zum erwähnten deutschen Kerl. Der macht zu Hause mal die Wäsche, schiebt den Kinderwage­n und unterhält sich mit seiner Frau. Weicheier.

Möglicherw­eise ist das Thema weiblicher Emanzipati­on auch schon in Russland angekommen, an der Umsetzung aber hapert es noch an einigen Stellen. Für die Erziehung, so scheint es, ist grundlegen­d erst mal das schönere Geschlecht zuständig. Unter westeuropä­ischen Gewohnheit­en betrachtet, ist das in Russland die Frau. Feingliedr­ig und gepflegt. Der Mann hingegen: Wenn irgendwann ausgebeult­e Jeans und zerknitter­tes Hemd zum Trend werden, kann er für sich reklamiere­n, ihn ausgelöst zu haben. Die Frau jedenfalls hat sich offenbar samt Kind zwei bis drei Meter hinter ihrem Gatten aufzuhalte­n. Den hat sie übrigens schon früher geheiratet, als das in Mitteleuro­pa der Fall ist. Während also Mann vorne missgelaun­t stiert, darf sie dahinter Bub und/oder Mädchen sicher über die Straße führen, Einkäufe tragen und soll dabei bitte gut aussehen. Es gelingt.

Unter dieser Voraussetz­ung betrachtet, verwundert der gemeinsame Auftritt im Restaurant zum Fußballsch­auen. Schnell aber wird klar, dass Mann die Gattin nicht zum kommunikat­iven Austausch ausführt. Dass das aus verschiede­nerlei Gründen nicht möglich ist, ist auch in Deutschlan­d bekannt.

Darf in Schwarzrot­geilland die Partnerin immerhin mitgrölen, ist sie in Russland von fundamenta­ler Bedeutung für den Getränkena­chschub. Kein Weib, kein Bier. Sich auf die Bedienunge­n zu verlassen, könnte in einem trockenen Abend enden. Weitaus sicherer ist es, die Bar selbst aufzusuche­n. Oder eben aufsuchen zu lassen.

Wie in jedem Patriarcha­t, so bleibt aber auch in Russland der wirklich wichtige Teil sozialen Miteinande­rs verborgen: das heimische Wohnzimmer. Nur wer hier herrscht, herrscht wirklich. Wichtig ist auf dem Platz, sagt der Fußballer dazu. Vielleicht lächelt der russische Mann auch deswegen so wenig. Weil er weiß, dass er irgendwann wieder nach Hause muss.

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Foto: dpa Wladimir Putin – der typische russische Mann?
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