Framing: Alles im Rahmen?
Die Welt hat einen Kater, und damit meine ich nicht Garfield, der am 19. Juni 1978 „zum ersten Mal in rund 40 Zeitungen in den USA seine Gedanken ausbreitete“– wie es die Deutsche Presse-Agentur staubtrocken formulierte. So staubtrocken wie der Humor des „frechen, fetten, faulen und filosofischen“Tierchens. Dessen Schöpfer Jim Davis (unser Foto) sagte kürzlich der Welt am Sonntag: „Je schlimmer die Zeiten, desto wichtiger wird der Humor.“Seine Comic-Strips böten den Menschen „kleine Fluchten aus der realen Welt in den Humor“.
Kleine Fluchten aus der bundesdeutschen Realität – in der die Flüchtlings- zur Unionskrise wurde und die Mexikaner die Deutschen bei der WM besiegten – bietet auch ein Urlaub. Aber selbst da starren ja die Menschen auf ihren Liegen am Pool in ihre Smartphones. Falls diese Urlauber sich für die Medienbranche interessieren, dürfte ihnen die Debatte über „Framing“nicht entgangen sein, die gerade intensiv geführt wird. Seitdem Anfang Juni die Redaktion des ARD-Polit-Talks „Hart aber fair“twitterte: „Framing? Als Journalisten können wir mit diesem Begriff wenig anfangen. Wir versuchen das, was Menschen beschäftigt, so darzustellen, wie es ist.“Ach, wirklich? Zuvor hatte es scharfe Kritik am Sendungstitel „Flüchtlinge und Kriminalität – Die Diskussion!“gegeben. Untertitel: „Junge Männer, geflohen aus Krieg und archaischen Gesellschaften – für viele hierzulande Grund zu Sorge und Angst. Können solche Flüchtlinge überhaupt integriert werden? Wie unsicher wird Deutschland dadurch?“
Mit „Framing“oder „Frames“sind, so Klaus Meier, Journalistikprofessor an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, „Interpretationsrahmen“gemeint: „Erfahrungen werden gespeichert und als Rahmen benutzt, um spätere Erfahrungen sinnvoll und schnell interpretieren, einsortieren oder wieder vergessen zu können.“Frames strukturierten und steuerten die Informationsverarbeitung. Wesentliches Kennzeichen sei, dass sie Bewertungen enthielten. „Sie können insofern auch als ,Deutungsmuster‘ bezeichnet werden“, schreibt Meier in seinem Lehrbuch „Journalistik“.
Heißt: Talkshow-Titel wie „Flüchtlinge und Kriminalität“können angesichts der aktuellen, aufgeheizten Debatte suggerieren: Alle Flüchtlinge sind kriminell. Der
Vorwurf: „Hart aber fair“mache bewusst Meinung, sei populistisch und übernehme die Sprache der AfD. Vorwürfe, die – unter anderem – die prominenten ARD-Journalistinnen Sonia Mikich und Anja Reschke auf Twitter, mehr oder minder direkt, auch gegenüber Ministerpräsident Markus Söder erhoben, der mehrfach von „Asyltourismus“sprach – sowie gegenüber Kollegen, die diesen und ähnliche Begriffe ohne Einordnung weiterverbreiten.
Was zu einer aufgeheizten Debatte über angebliche Sprechverbote und den vermeintlichen „Staatsfunk“führte – und dazu beitrug, dass Bild-Chef Julian Reichelt, um den es hier letzte Woche ging, in jammerndem Ton twitterte: „Twitter befindet sich zunehmend in Händen jener, die bestimmen wollen, was zitiert, berichtet werden darf und was unterdrückt werden sollte, weil es gesellschaftlich schädlich ist. Dieser totalitäre Geist hat meine Faszination für Twitter zerstört.“Er war zuvor kritisiert worden, dass er einen Tweet zur Kriminalität in Deutschland von US-Präsident Trump retweetet hatte.
Garfield übrigens ist ein Großmeister des Framings. Schon im ersten Comic-Band, der in Deutschland 1984 erschien, findet sich ein Comic-Strip, in dem der Zeitung lesende Jon Arbuckle sagt: „Gute Nachrichten, Garfield ... Die Regierung sagt, dass die Inflationsrate sinkt“. Garfields Antwort: „Na und! Im Warenkorb des durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushalts gibt’s trotzdem keine Lasagne“. Garfield, der clevere verfressene Kater, hat einen Interpretationsrahmen für alles: Lasagne!