Die verpönte Liebe
Der Junge weiß, dass er schwul ist. Aber dies seinen Freunden zu offenbaren, traut er sich nicht. Endlich erzählt Hollywood mit Witz, Charme und Romantik eine herzzerreißende homosexuelle Lovestory
„Ich bin wie ihr“, sagt Simon zu Beginn des Filmes. Und genauso wie der Jugendliche sein ganz normales, weißes Mittelklasseleben vorführt, erzählt auch Greg Berlantis „Love, Simon“seine Geschichte im vollkommen konventionellen Format eines Highschool-Movies. Und gerade das ist das Besondere an diesem Film. Denn Simon hat ein Geheimnis, das normalerweise nicht in diesem Genre verhandelt wird: Er ist schwul und davon wissen weder seine Eltern noch seine Freunde.
Mit dem letztjährigen OscarGewinner „Moonlight“und dem diesjährigen Nominierten „Call Me By Your Name“haben es zwei Filme ins Weltkino geschafft, die schwules Leben nicht mehr nur im Nischenformat für die eigene Community, sondern mit gebührender und gelassener Selbstverständlichkeit vor einem breiteren Publikum verhandelten. „Love, Simon“geht nun noch einen Schritt weiter auf den Mainstream zu und gilt als erste StudioProduktion, die sich mit dem Thema „Coming Out“beschäftigt.
Das Gute daran ist, dass sich „Love, Simon“überhaupt nicht wie ein Themenfilm anfühlt. Mit herzerfrischender Konventionalität bedient Berlanti die Gesetze eines amerikanischen Teenie-Films, in dem das Leben an der Highschool zum sozialen Mikrokosmos ausgebaut wird. Simon (Nick Robinson) führt hier mit einer kleinen Schar von Freundinnen und Freunden eine gut integrierte Existenz. Gerade diese Eingebundenheit lässt ihn davor zurückschrecken, das Geheimnis seiner sexuellen Orientierung preiszugeben.
Aber als sich ein anonymer Mitschüler im innerschulischen Chatroom als schwul outet, hat Simon endlich jemanden, mit dem er sich über seine versteckten Gefühle austauschen kann. Im geschützten digi- talen Raum kommen sich die beiden zunehmend näher, aber der Sprung von der virtuellen Seelenverwandtschaft ins echte Liebesleben will ihnen nicht gelingen. Zu groß ist die Angst vor ablehnenden Reaktionen. Lieber warten, bis die Schule vorbei ist, und als Student in einer anderen Stadt ein neues, freies, schwules Leben anfangen. Aber dann gelangt ein Mitschüler an die E-Mails und versucht, Simon zu erpressen. Simon soll den Unsympathen mit einer Freundin verkuppeln, sonst droht das unfreiwillige Outing. Also setzt Simon alte Freundschaften aufs Spiel, aus Angst, sein Geheimnis und den anonymen Vertrauten zu verlieren. Daraus entspinnen sich Verwicklungen und Verwechslungen von Shakespeare’schen Ausmaßen und eine herzzerreißende Liebesgeschichte, die im Slalom auf ihr romantisches Finale zusteuert.
Ein Film wie „Love, Simon“, der aus dem Liebesleben eines schwulen Jugendlichen im MainstreamFormat erzählt, war schon lange überfällig. Nur punktuell merkt man dem Drehbuch von Elisabeth Berger und Isaak Aptaker die Anstrengungen an, mit denen man versucht, die Bedenken des Studios und die vermeintlichen Vorbehalte der jungen Zielgruppe zu zerstreuen. An der Kulisse der heilen Mittelklassewelt wird nicht gekratzt, um das Publikum nicht noch mit weiteren Widersprüchen zu belasten.
Davon abgesehen, gelingt es dem Film, mit Witz, Charme und einer guten Portion Romantik seine Liebesgeschichte universell zugänglich zu machen. Gerade weil hier nicht mit erhobenem Zeigefinger und politisch korrektem Anspruchsdenken gearbeitet wird, sondern sich die Empathie durch die Nähe zur Hauptfigur erfolgreich herstellt, wirkt die Angelegenheit angenehm unangestrengt. Sein kitschiges Happy End im Riesenrad hat sich „Love, Simon“redlich verdient.