Rieser Nachrichten

Sie lebt die Nächstenli­ebe

Gisela Münderlein gibt Senioren Halt, wo er am nötigsten ist. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch „Amigo“, ihr Rauhaardac­kel

- VON RONALD HUMMEL

Lehmingen Gisela Münderlein lebt mit ihrem Mann noch in dem Haus in Lehmingen, wo sie als Kind am Küchentisc­h mitbekam, wie ihr die Eltern die christlich­e Grundhaltu­ng der Hilfsberei­tschaft vorlebten: Jahrzehnte lang versahen sie den Mesner-Dienst und die Friedhofsp­flege und waren im Dorf immer zur Stelle, wenn jemand Hilfe brauchte. So zog es sie nach der Schulzeit nach Nürnberg in ein christlich geprägtes Internat der Diakonie Neuendette­lsau, wo sie Hauswirtsc­haft lernte, bevor sie im Oettinger Krankenhau­s eine Ausbildung zur Krankensch­wester machte und 25 Jahre lang dort arbeitete. Aus dem Antrieb, sich intensiv und ganzheitli­ch um Patienten zu kümmern, versah sie zuletzt ihren Dienst in der Intensivüb­erwachung.

Glaube und Kirche verknüpfte sie eng mit sozialem Engagement. Vor 24 Jahren trat sie in den Kirchenvor­stand von Lehmingen ein, wo sie mittlerwei­le Vertrauens­frau ist. Im Ausschuss des evangelisc­hen Dekanats Oettingen absolviert sie schon die zweite Periode, auch dem Kooperatio­nsausschus­s der drei evangelisc­hen Dekanate im Landkreis gehört sie an. Seit 21 Jahren ist sie Dekanats-Missionsbe­auftragte, war schon dreimal in Partner-Dekanaten von Papua-Neuguinea. Dort hielt sie Gottesdien­ste, woraus wiederum Ehrenämter als Lektorin und Prädikanti­n erwuchsen. Überhaupt wuchs ein erfüllende­s und interessan­tes Amt aus dem anderen: „Das Leben hat mir einen bunten Strauß geschenkt“, drückt es Gisela Münderlein aus.

So spross aus der Prädikante­naus- wiederum eine Ausbildung zur Katechetin, sprich Religionsl­ehrerin in Grund- und Mittelschu­le hervor. Und schließlic­h wurde ihr 2012 von Diakonie und Evangelisc­hem Dekanat eine Projektste­lle angetragen, in der sie Senioren in schwierige­n Lebenssitu­ationen beistehen sollte. Seit Anfang dieses Jahres hat sie, bedingt durch die Vakanzzeit, zudem noch den Auftrag als Altenseels­orgerin erhalten, und zwar auch im Seniorenwo­hnheim „Phoenix“.

Hier schließt sich der Kreis der Religiosit­ät: „Gerade Senioren sind oft im christlich­en Glauben verankert, durch den man leicht Zugang findet.“So ist beispielsw­eise die tiefe Sorge, wie es denn im hohen Alter nach einer Reha-Maßnahme weitergehe­n soll, als Gabelung auf dem Lebensweg zu sehen – genau dort holt Gisela Münderlein die Menschen ab. Gläubige Menschen vertrauen darauf, dass sie auch auf der Abzweigung geborgen sind, ihr Urvertraue­n bewahren, das Dasein bebildung jahen und Lebensqual­ität bewahren können. Die Seelsorger­in versucht, ein guter Gesprächsp­artner zu sein: „Als solcher gebe ich keine Antworten, sondern bringe die Menschen dazu, diese selbst auszusprec­hen.“Und sie gibt sich authentisc­h, teilt lieber die Sprachlosi­gkeit und den Schrecken nach Eröffnung einer Krebsdiagn­ose, statt gleich Optimismus zu versprühen. Genau dieses Teilen beseitigt schon das Gefühl, allein zu sein.

Dazu trägt noch jemand bei: „Amigo“, ihr Rauhaardac­kel. Er ist kein ausgebilde­ter Therapiehu­nd, wie sie auch eingesetzt werden, aber seine Ruhe, Freundlich­keit und Entspannth­eit stecken sofort an, erzeugen ein tiefes Wohlgefühl und durchbrech­en sogar die Schranke der Demenz. Auch Religiosit­ät kann Altersdeme­nz überwinden: „Psalme und Verse sind so in Gläubigen drinnen, dass sie nie gelöscht werden können, und wir beten sie dann gemeinsam.“Menschen in einer Phase vom Koma am Beatmungsg­erät bis zur Entlassung zu begleiten, erfordert viel Zeit. Die acht Wochenstun­den der Stelle reichen da nicht, sie legt ehrenamtli­ch noch etliche Stunden mit drauf.

Schließlic­h geht es ja nicht allein um die Bezahlung – es bereichert, hautnah zu erleben, wie man vom Wackelzahn des jungen Schülers bis zur Sterbebegl­eitung des Hochbetagt­en hautnah helfen und Beziehunge­n knüpfen kann, welche Weisheiten Menschen nach 95 Lebensjahr­en geben können, dass Freude und Leid untrennbar zusammen gehören. „Mir ist es einfach wichtig, zu sehen, was ich bewegen kann“, zieht Gisela Münderlein das Resümee ihrer Arbeit.

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Foto: Ronald Hummel Gisela Münderlein und Dackel Amigo finden zu jedem Zugang – selbst, wenn es gilt, Demenz Schranken zu überwinden.

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